Am liebsten spricht Sanja Turković über ihre aktuellen und kürzlich abgeschlossenen Projekte. Zu jeder Station ihres "Generationenspielplatzes" in Mödling hat die Landschaftsarchitektin auch eine Anekdote aus der Planungs- und Bauzeit parat. Stolz ist sie vor allem darauf, dass beim Bau und der Gestaltung des Parkes auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus der Nachbargemeinde beteiligt waren. "Es war eine Freude zu sehen, dass sie mit großer Begeisterung geholfen haben und bei der Eröffnung jede Station mit kindlicher Neugier ausprobiert haben", erzählt Turković und betont zum wiederholten Mal, dass man Flüchtlingen eine Chance geben muss, sich mit ihren Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen. Die Unternehmerin spricht dabei nicht nur aus beruflicher, sondern vor allem aus privater Erfahrung.

Konservatives Niederösterreich

Im Jahr 1992 floh Sanja Turković aus der bosnisch-herzegowinischen Stadt Mostar mit ihrer Tochter nach Österreich, genauer nach Niederösterreich, Bezirk Mödling. Wie viele andere bosnische Flüchtlinge hatte Sanja bereits einen Bezug zu ihrer neuen Heimat: Turkovićs Schwester, die Profihandballerin Jasna Kolar-Merdan, lebt bereits seit 1984 als erfolgreiche Sportlerin hier.

Turkovićs Mann kam nach einiger Zeit nach, und ein weiteres Kind wurde in Österreich geboren. Dass die Familie bei der Schwester und nicht in einem Flüchtlingsheim untergekommen ist, war Vorteil und Nachteil zugleich, sagt Turković: "Wir hatten weniger Zugang zu Informationen über unsere Rechte hier, und dazu kommt, dass Niederösterreich eine wirklich konservative Umgebung ist, aber dafür wurde uns auch eine größere Flexibilität abverlangt, und das war gut so."

"Das Kontingent ist voll"

"Um ein Teil dieser Gesellschaft zu werden, braucht man Arbeit", wiederholt Sanja Turković mehrmals im Gespräch. In Bosnien hatte sie ein Studium der Landschaftsarchitektur abgeschlossen, doch das war ihr "ehemaliges Leben", wie sie die Zeit vor dem Bosnienkrieg nennt. In ihrem neuen Leben wollte sie nur einfach "irgendeine Arbeit".

"Generationenspielplatz" in Mödling. Ein Projekt, das die Landschaftsarchitektin besonders stolz macht.
Foto: sanja turkovic

"Jahrelang habe ich keine Arbeitserlaubnis bekommen. Ich fand unterschiedliche Jobs und habe dann einen Antrag gestellt. Die Antwort war immer die gleiche: Das Kontingent für Flüchtlinge ist voll." Bei ihrer Arbeitssuche sei sie keinesfalls wählerisch gewesen, betont Turković. Ihre erste Arbeitserlaubnis bekam sie für eine Stelle bei McDonald's, danach war sie Verkäuferin im Drogeriemarkt Schlecker.

Genug vom Regaleschlichten

Eines Tages traf sie beim Regaleschlichten eine Entscheidung: Sie setzte alles auf eine Karte und machte sich selbstständig. Motiviert wurde sie durch ihre beiden Kinder: "Mein Sohn und meine Tochter bekamen von uns immer zu hören, wie wichtig eine gute Ausbildung ist. Bis sie dann einmal meinten: 'Papa und du habt auch eine gute Ausbildung und macht trotzdem ganz andere Jobs. Bei euch hat es sich nicht gelohnt.'"

Spielstationen für Menschen jeden Alters auf dem Generationenspielplatz in Mödling.
Foto: Steppan Alexander

Dieses Gespräch habe sie sehr lange beschäftigt, eine adäquate, richtige und vor allem motivierende Antwort habe sie lange gesucht: "Meine Kinder wachsen in Österreich auf, und ich wollte, dass sie Vertrauen in diese Gesellschaft und in die Chancen, die ihnen diese Gesellschaft bietet, haben." Am Ende dieser Überlegungen stand der Entschluss, den Job bei Schlecker zu kündigen und sich im gelernten Beruf selbstständig zu machen. Turković wollte ihren Kindern zeigen, "dass sich Kämpfen lohnt".

Urkundensammlung in Turkovićs Büro im Zentrum von Mödling. Anerkennung für ihre Arbeit, die sie stolz den Besuchern zeigt.

Qualifizierte haben es schwer

Im Jahr 2006, nach 14 Jahren in Österreich, fing Turković mit der Arbeit als Landschaftsgärtnerin an. Ihr Universitätsdiplom zu nostrifizieren war das geringste Problem, zwischen Jugoslawien und Österreich gab es ein Abkommen bezüglich der Anerkennung. Die richtige Herausforderung war, sich als absoluter Neuling zu vernetzen und Aufträge zu lukrieren.

Zwischendurch überlegte die Familie, Österreich zu verlassen. Einmal gab es konkrete Pläne, nach Australien zu gehen, weil viele bosnische Bekannte nach ein, zwei Jahren in Österreich ebenfalls diesen Schritt wagten. "In Österreich haben es die gut qualifizierten Flüchtlinge aus Bosnien am schwersten gehabt", beklagt Turković.

Ankommen, ein Teil von etwas Größerem sein, das Miteinander – aus Sanja Turkovićs Lebensthemen sind berufliche Projekte geworden.
Foto: turkovic

"Sprache geht automatisch mit"

"Menschen, die hier ankommen und das Recht bekommen, auch hier zu bleiben, brauchen Chancen. Sie brauchen kein Mitleid, sie brauchen eine Chance, gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu sein, die ihren Teil beitragen. Um ein Teil dieser Gesellschaft zu werden, braucht man Arbeit", sagt Sanja Turković mit Nachdruck. Dabei kritisiert sie ohne Umschweife die Strategien der aktuellen Migrationspolitik: "Berufsintegration ist in meinen Augen das Wichtigste." Immer nur das Erlernen der Sprache in den Vordergrund zu stellen, hält sie für falsch. "Sprache ist etwas, das automatisch mitgeht, die Menschen brauchen eine berufliche Perspektive und die Chance, ihr Bestes zu geben: Ich war gut als McDonald's-Verkäuferin, ich war auch beim Schlecker gut, aber als Landschaftsarchitektin bin ich besser, da gebe ich dieser Gesellschaft mehr von mir", sagt Sanja Turković schmunzelnd.

"Ich kenne Menschen, die seit 25 Jahren in diesem Land sind und sich noch immer fremd fühlen, weil sie sich nie anerkannt und als Teil der Gesellschaft empfunden haben. Und es geht da nicht nur darum, eine sogenannte Karriere zu machen, viele haben diese Ambition gar nicht, sondern darum, nicht verkannt zu werden", erklärt die mittlerweile erfolgreiche Landschaftsarchitektin.

Mödling holte im September 2015 Gold beim europäischen Blumenschmuck- und Lebensqualitätwettbewerb "Entente Florale". Mödling, das für Österreich in der Kategorie "Stadt" antrat, gewann unter zwölf Nationen den ersten Preis für seine vielseitigen Projekte und sein großes Engagement für die Lebensqualität seiner Bewohner. Turkovićs "Spielplatz für alle Generationen" ist ein Teil davon.
Foto: sinisa puktalovic

Ort der Begegnung

Dass das große Thema ihrer Arbeit als Landschaftsarchitektin Integration im weitesten Sinne ist, findet Turković nur "logisch". Ankommen, ein Teil von etwas Größerem sein, das Miteinander – aus den Lebensthemen sind berufliche Projekte geworden. Mit ihrer Arbeit will sie öffentliche Orte der Begegnung schaffen. Dabei steht nicht nur die Begegnung zwischen Migranten und Alteingesessenen im Fokus, sondern auch das Zusammenleben von Jung und Alt und die Partizipation von Menschen mit Behinderungen. Damit befassten sich fast alle Projekte der Landschaftsarchitektin seit 2008.

Sanja Turković spricht darüber, warum sie die Gestaltung öffentlicher Parks zum großen Thema ihrer Arbeit gemacht hat.
stajic

Über Integration redet Turković leidenschaftlich gerne, auch über den Aspekt der Raumplanung und Gestaltung hinaus. Oft geht sie auch in Schulen und spricht über ihren bisherigen beruflichen Weg in Österreich. "Wenn man mich nach meiner Meinung zum Thema Integration fragt, kann ich natürlich auch nur loben: Österreich hat jede Menge schöne Landschaften, viel Hochkultur und so weiter. Aber dann will ich auch ehrlich sein und diesen abgedroschenen Satz 'Integration ist keine Einbahnstraße' bemühen. Ich meine aber damit, dass man den hier Ankommenden ermöglichen soll, ihr Potenzial zu nutzen, egal wie sie heißen oder ob sie einen Akzent haben." (Text: Olivera Stajić, Video: Siniša Puktalović, 9.2.2016)