Der Körper von Giulio Regeni wurde in diese Leichenhalle in Kairo gebracht.

Foto: AFP/MOHAMED EL-SHAHED

Der italienische Doktorand Giulio Regeni ist diese Woche neben der von Kairo nach Alessandria führenden Schnellstraße halbnackt, mit Folterspuren am Körper und entstelltem Gesicht tot aufgefunden worden. Laut einem ägyptischen Staatsanwalt sind an der Leiche Messerstiche, Brandwunden von Zigaretten, Schnitte im Ohr und Spuren von Schlägen gefunden worden, die auf einen "langsamen Tod" hindeuteten. Der Politikwissenschafter Regeni, der seit September in Kairo lebte, war am 25. Jänner, dem fünften Jahrestag des Arabischen Frühlings, auf dem Tahir-Platz spurlos verschwunden.

Der gewaltsame Tod des jungen Italieners ist zur schweren Belastung für die italienisch-ägyptischen Beziehungen geworden – umso mehr, als, wie am Freitag bekannt wurde, Regeni sich in Artikeln kritisch über die ägyptische Regierung geäußert hatte. Sein letzter Artikel wurde am Freitag von Il Manifesto publiziert, laut der linken Zeitung hatte Regeni Angst um seine Sicherheit gehabt.

In Rom ist der ägyptische Botschafter Amr Mostafa Kamal Helmy ins Außenministerium zitiert worden, und zwar "dringlich". Italien erwartet von den ägyptischen Behörden bei der Aufklärung "die maximale Zusammenarbeit" sowie die "sofortige Einleitung einer Untersuchung mit italienischer Beteiligung". Außerdem verlangte Rom die Überführung des Toten nach Italien, um eine Obduktion vornehmen zu können. Zudem war aufgrund des Vorfalls eine italienische Wirtschaftsdelegation unter der Leitung der zuständigen Ministerin vorzeitig aus Ägypten abgereist.

Kritische Artikel

Das Verhalten und die Aussagen der ägyptischen Behörden in dem Fall sind widersprüchlich. Fest steht, dass sich Regeni am 25. Jänner mit Freunden verabredet hatte, er aber nie erschienen ist. Zunächst wurde vermutet, dass er in eine Razzia der Sicherheitsdienste geraten sein könnte, die an diesem Tag überall in Kairo waren. Auf eine Anfrage des italienischen Botschafters haben die Behörden aber bestritten, dass Regeni in einem Gefängnis sitze.

Deshalb wurde angenommen, er könnte Opfer eines gewöhnlichen Verbrechens geworden sein. Doch die Folterspuren an der Leiche passen laut Menschenrechtsanwälten zu den Methoden der Staatssicherheit. Wenig zur Glaubwürdigkeit der ägyptischen Behörden beigetragen hat auch die Behauptung eines Generals, dass der junge Mann bei einem Autounfall gestorben sein könnte. (Dominik Straub aus Rom, 6.2.2016)