Genau so sorgsam wie die Kuratoren um die gemalten, hat Monet sich im Garten um die echten gekümmert: "Seerosen" (1914/15).

Foto: Portland Art Museum

Claude Monet war unzweifelhaft Franzose, aber längst gehört er der ganzen (Kunst-)Welt. So etwas wie eine Spezialbeziehung zu dem Meister des Impressionismus reklamieren die Briten für sich – sozusagen von Gärtner zu Gärtner. Die Beschäftigung mit der eigenen Scholle, und sei sie noch so winzig, stellt für Millionen von Menschen auf der regenreichen Insel einen großen Teil ihres Lebenssinnes dar.

Dementsprechend beliebt sind Monet (1840-1926) und viele Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als die zunehmend wohlhabende Mittelschicht Europas das Gärtnern als Hobby entdeckte. Vielleicht nicht ganz zufällig bekleidet deshalb ein Engländer den Posten des Chefgärtners in Giverny, 60 Kilometer nordwestlich von Paris, wo Monet 43 Jahre lang bis zu seinem Tod 1926 lebte und arbeitete.

Fünfzehn Jahre nach einer großen Retrospektive widmet die Londoner Royal Academy nun dem Modernen Garten eine grandiose Schau, in die Monets Bilder, nicht zuletzt die berühmten Seerosenmotive, eingebettet sind in die Farbenpracht seiner Zeitgenossen, von Auguste Renoir über Gustav Klimt bis zu Wassily Kandinsky. Geschickt kontrastieren die Kuratoren den beinahe realistischen, ganz funktionalen Gemüsegarten von Camille Pissarro mit der kunstvoll sich auftürmenden Blumenpracht in zeitgleich entstandenen Werken.

Liebe zum Kompost

Gustave Caillebotte stand bis zu seinem frühen Tod 1894 mit Monet in regem Briefverkehr über seinen Garten. Nicht zuletzt ging es um die Frage, wie man am besten ein Gewächshaus errichtet – Caillebottes eigenes Gebäude ragt stolz in ein Gemälde des Künstlers, das in London zu sehen ist. Octave Mirbeau gestand dem Brieffreund, er liebe Kompost "wie man eine Frau liebt".

Von dieser Liebe verstehen die Briten etwas. Und so strömen die Massen seit einer Woche in die 1768 gegründete Institution mit der prestigeträchtigen Adresse Piccadilly. Im Herbst war hier eine große Schau von Ai Weiwei zu sehen, der chinesische Künstlerdissident brachte auch viele junge Leute auf die Beine. Jetzt sind wieder eher elegante Pensionistinnen aus dem Londoner Speckgürtel, die übliche Klientel der Royal Academy, unter sich. Aber auch Schulklassen wandern durch die lichten Säle, animiert von brillanten hauseigenen Kunsterziehern, deren Beschreibungen jedes Gemälde zum Funkeln bringen.

Da gibt es mancherlei Geschichten zu erzählen, etwa über Henri Matisse und Emil Nolde, den Garten des Spaniers Joaquín Sorolla und Max Liebermanns Grundstück am Wannsee. Und immer wieder über Monet. "Er liest mehr Kataloge und Preislisten für Gartenprodukte als Aufsätze über Ästhetik", resümierte ein Journalist nach seinem Besuch bei jenem in Giverny zur Jahrhundertwende.

Dem Garten galt Monets ganze Aufmerksamkeit. Oft stand der Künstler um vier Uhr morgens auf und widmete sich der minutiösen Beobachtung feinster Veränderungen der Szenerie durch Sonnenlicht, Wind und Wolken. Bis zu sieben Gärtner kümmerten sich um die prächtige Anlage. Einer von ihnen fuhr täglich mit einem Kahn über den Teich, um die Seerosen abzustauben, gegen die Givernys Bauern zunächst Protest eingelegt hatten, weil sie fürchteten, die exotischen Pflanzen würden ihr Vieh vergiften. Mehrfach musste sich der Besitzer in Bittschreiben an die Kommunalregierung wenden. Das Ganze sei "zu einer Obsession geworden", gab der Künstler zu: "Eigentlich geht es über meine Kräfte, aber ich will ausdrücken, was ich fühle."

Und wie er fühlte! An einer Wand mit einem Dutzend Seerosenbildern lassen sich die feinsten Veränderungen der Motive studieren. Einmal hängen Blätter im Vordergrund, dann stehen Bäume im Hintergrund, mal besteht die Fläche beinahe nur aus Wasser, mal fast ausschließlich aus Pflanzen. Quer durch eines der Bilder fällt ein Schatten, während doch die meisten warmes Licht und leuchtende Farben wiedergeben.

Seerosen in Flecken

Zahlreiche Museen aus aller Welt, vor allem aus den USA, haben zu der Ausstellung beigetragen, die im vergangenen Jahr bereits in Cleveland zu sehen war. In der Royal Academy kommt es zu einer Premiere: Erstmals in Europa ist das Agapanthus-Triptychon zu sehen, eine Farbmeditation aus Monets späten Jahren, als seine Werke zunehmend abstrakter wurden. Zu sehen sind noch immer Seerosen, die sich aber mehr und mehr in blau-violette Flecken auflösen.

Das Werk, 1916 während des Ersten Weltkriegs begonnen und 1919 beendet, ist Ende und Höhepunkt dieser Ausstellung zugleich, mit der die Kuratoren den Hobbygärtnern Europas und Bewunderern impressionistischer Farbsymphonien ein unvergessliches Geschenk gemacht haben. (Sebastian Borger aus London, 6.2.2016)