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Einst war Kohle – im Bild die Kohlemine in Singleton in Hunter Valley im Norden von Sydney – Goldes wert. Absatzschwäche, Klimaschutz und Erderwärmung ließen den Bodenschatz verlieren.

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Im Mai entschied sich die Deutsche Bank für Fische statt Kohle: In der Hauptversammlung bestätigte das Unternehmen, den vom indischen Rohstoffkonglomerat Adani geplanten Ausbau eines Kohleverladehafens an der australischen Küste nicht zu finanzieren. Die Bank sorge sich um die Folgen, die eine solche Anlage und der Ausbau auf das Barriere Riff haben könnten. Rund ein Dutzend Finanzinstitute taten es der Deutschen Bank gleich.

Das mit 2300 Kilometern Länge größte Korallenriff der Welt liegt nur einen Steinwurf entfernt vor der Küste. Laut Meeresbiologen würde es in vielfacher Weise unter der Hafenexpansion samt Dauerverkehr von mit Schweröl beladenen Kohlefrachtern leiden. Schon heute geht es dem Riff miserabel. Seit den achtziger Jahren sind 50 Prozent der Korallen abgestorben.

Hohe Schadstoffemissionen

Nicht einmal ein Jahr später zeigt sich, dass eine Finanzierung auch wirtschaftlich ein Fehlentscheid gewesen wäre. Denn die von Adani geplante "Carmichael"-Mine, deren Kohle über den Hafen nach Indien werden sollte, dürfte wohl kaum noch gebaut werden. Sie rechnet sich schlicht nicht mehr, so dramatisch sind die Preise für Kohle gesunken. Die Kosten für die Entwicklung der bis zu 40 Kilometer langen Mine mit einer Gesamtfläche von 270 Quadratkilometern sind bei spektakulären 16 Milliarden australischen Dollar (10,2 Mrd. Euro) veranschlagt.

Mit einer Produktion von 60 Mio. Tonnen Steinkohle pro Jahr über 60 Jahre sollte die Mine die größte der südlichen Hemisphäre werden – auch hinsichtlich der Schadstoffemissionen: "Wäre die Mine ein Land", sagt Tom Swann von der Denkfabrik Australia Institute, "wären die Emissionen aus der Kohleverbrennung größer als die von Kuwait, Chile, den Philippinen, Schweden, Griechenland, Norwegen oder Neuseeland".

Schlechte Luft in China

Dabei vergeht der Welt die Lust auf den Klimakiller Kohle. China, bis vor kurzem ein führender Abnehmer von Thermal- und Kokskohle, diversifiziert auch wegen der immer schlechteren Luftqualität in alternative Energiequellen. So ist der Rohstoff auf den Weltmärkten inzwischen zum Schleuderpreis zu haben. Kostete eine metrische Tonne 2011 noch 139 US-Dollar (127,7 Euro), liegt der Preis heute bei knapp 50 US-Dollar (45.9 Euro). An dieser Entwicklung dürfte sich vorerst wenig ändern, glaubt die International Energy Agency (IEA) und kürzte ihre Prognose.

Wichtiger Arbeitgeber

Niemand kann diese Entwicklung besser bezeugen, als Tausende von Angestellten, die in australischen Kohleminen und bei Bergbaudienstleistern ihre bis vor kurzem fürstlich bezahlten Jobs verloren haben. Vor allem kleinere Unternehmen mit hohen Förderkosten haben kaum noch Überlebenschancen. Im Finanzjahr 2013/2014 exportierte Australien 375 Millionen Tonnen Kohle. 2015 stammten 7,1 Prozent der Kohle weltweit aus Australien, Tendenz fallend. Trotzdem sind noch bis zu 60 weitere Minenprojekte Bau oder fortgeschrittener Planung. Viele stehen auf der Kippe – Kapital ist so gesucht wie Optimismus. Wenig überraschend ist die australische Kohleindustrie in Panik. Mit millionenteuren Marketingkampagnen bittet sie um Unterstützung für den "kleinen schwarzen Stein", wie sie den fossilen Brennstoff liebevoll nennt. Sie klagt, "mächtige Gruppen" seien "entschlossen, die Industrie zu zerschlagen". Wer der Feind ist, wird nicht gesagt. Australien sei "gesegnet mit Reserven von Steinkohle für weitere 110 Jahre und Braunkohle für 510 Jahre". Die Kohlewirtschaft sei für 4,2 Prozent des Bruttoinlandproduktes verantwortlich – 60 Milliarden australische Dollar pro Jahr, und bezahle 18,3 Milliarden australische Dollar an Steuern, heißt es. 200.000 Menschen arbeiteten in der Kohleindustrie. Nicht mehr lange. Denn auch große Förderer ziehen den Stecker. Anglo American gab den Verkauf des Großteils ihrer Minen im Bundesstaat Queensland bekannt – mit Verlust von 85.000 Arbeitsplätzen.

Aussteigen aus Kohleinvestments

Nach den Kunden laufen der Kohleindustrie davon, auch Anleger wollen sich die Hände nicht schmutzig machen. In Australien haben sich mehrere Universitäten und verschiedene Gemeindeverwaltungen der sogenannten "Divestment"-Bewegung angeschlossen. Sie stießen ihre Investitionen in Kohleunternehmen ab. Kohleaktien im Wert von Milliarden Dollar überfluten den Markt. Die Konsequenzen sind spürbar: die zehn reinen Kohletitel an der australischen Börse – unter ihnen Whitehaven Coal, Macarthur Coal, Centennial Coal, Coalpac und Felix Resources – verloren in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren bis September 2015 im Durchschnitt 60 Prozent an Wert. Der australische Wirtschaftsprofessor und ehemalige Berater des Internationalen Währungsfonds, John Hewson, ist einer der führenden Vertreter der "Divestment"-Bewegung. Im Gespräch mit dem STANDARD hat er nun einen Begriff für Kohleaktien: "Toxic Assets" – toxische Aktiva. (Urs Wälterlin aus Sydney, 7.2.2016)