"Die Hölle hat heut Wandertag", stellt Ferdinand (Raphael Muff, nicht im Bild) fest. Der Fasching aber auch. Nico Link, Gerhard Balluch, Sarah Sophia Meyer, Franz Solar und Fredrik Jan Hofmann in grotesken Outfits im Dreck.

Lupi Spuma

Graz – Schwere dunkle Erde dampft dem Publikum entgegen, als der Blick auf die Bühne freigegeben wird. Umschlossen von drei Mauern, erinnert die Insel, auf der der zu Unrecht verbannte Herzog von Mailand, Prospero, herrscht, in Stephan Rottkamps Inszenierung von Shakespeares Der Sturm unweigerlich an einen Misthaufen. Doch hier kompostiert nichts friedlich vor sich hin, hier rutschen Menschen in einem Sumpf von Machtgier, Neid und Hass aus. Die manchmal schräge und auch unterhaltsame Regiearbeit, die am Samstag im Grazer Schauspielhaus Premiere hatte, lebt auch von den starken Bildern, die hier aus dem düsteren Humus von Ralph Zegers Bühnenbild geboren werden.

Und von einem Prospero, der von einer Frau gespielt wird. Von einer temporären Heimkehrerin gewissermaßen, denn Burgschauspielerin Barbara Petritsch stammt aus der Steiermark und hat in Graz Schauspiel studiert. Die 70-Jährige gibt einen ernsthaften, besonders dunklen, von schmerzlichen Verletzungen bitter und harten Prospero, der seine Magie gegen andere einsetzt, wie ein Bad Cop seinen Taser.

Ariel schüttelt das Handtuch

Auch "Inselmonster" Caliban, und Luftgeist Ariel werden in Rottkamps Inszenierung eindrucksvoll von Frauen verkörpert. Als Ariel erscheint Sarah Sophia Meyer im ersten Bild wie eine gelangweilte Diva im glitzernden Paillettenbadeanzug im Liegestuhl, bevor sie mit dem Ausschütteln ihres Badetuches Windstöße über das Meer und gegen das Schiff von Properos Feinden schickt. Julia Gräfner gräbt sich als Caliban aus dem feuchten Erdreich frei und wälzt sich fast nackt durch den Dreck dieser menschlichen Schlangengrube.

Während die Welt in all ihrer Verkommenheit aus jeder Ecke der erdigen Bühne dampft, erscheinen die Schiffbrüchigen, etwa Alonso, König von Neapel (Gerhard Balluch) und sein wie aus einem tschechoslowakischen Märchenfilm der 1970er-Jahre im Prinzenkostüm entflohener Sohn Ferdinand (Raphael Muff), wie eine skurrile Faschingsgilde. Sie tragen ihre bunt glitzernden Kostüme über den wegrutschenden Boden und werden dabei – ebenso wie Sebastian (Fredrik Jan Hofmann) und Antonio (Nico Link) und Franz Solars silbergrauer Gonzalo – selbst zu Sinnbildern der über alle Wellen der stürmischen See hopsenden Shakespear'schen Pointen und Wortspiele.

Wenn Prospero am Ende den Königsmantel trägt, die Krone verkehrt aufgesetzt, ist sein Luftgeist schon frei, und unter Engelstönen eines wunderbaren Chors davongeschwebt. Er aber ist allzu geerdet und alles andere als glücklich. "Tugend ist mehr wert als Rache", weiß der Herzog von Mailand. (Colette M. Schmidt, 8.2.2016)