Gerhard Reinisch (50) ist Lehrer und seit 2009 im Gemeinderat von Klagenfurt. Von 2012 und 2015 war er Stadtrat für Wohnbau, Wohnungsvergabe und Jugend. Im Jänner trat er aus der FPÖ aus und ist nun parteiloser Mandatar

STANDARD: Sie sind vor einigen Tagen aus der FPÖ ausgetreten, wie geht es Ihnen seither?

Reinisch: Ich bin irgendwie erleichtert, weil der ganze Druck von mir abgefallen ist. Seit der Bürgermeisterwahl im vorigen Jahr wurde ich nicht mehr berücksichtigt. Ich habe mich ein halbes Jahr eher ruhig verhalten. Ich habe aber als einziger Freiheitlicher gegen die Parteilinie für das Budget gestimmt. Dafür wurde ich intern kritisiert. Dabei haben wir doch immer bei den anderen kritisiert, dass man nicht miteinander regiert, gegen Budgets stimmt, aber dann das Geld trotzdem nimmt.

STANDARD: Sie sagen, Sie wurden nicht mehr berücksichtigt?

Reinisch: Ich wurde zu wenig gehört. Mit Gunzer (Albert Gunzer, 2014 aus der FPÖ ausgetretener Ex-Stadtrat, Anm.) habe ich noch aufkokettiert. Ich hab auch immer wieder allen gesagt, dass wir ja einmal BZÖ waren, keine FPÖler – und auf einmal sind wir wieder dort. Im Grunde haben wir alle die Idee des BZÖ verraten. Ich war deshalb für viele kein echter Freiheitlicher.

STANDARD: Sie begründeten Ihren Austritt unter anderem mit der ausländerfeindlichen Politik der FPÖ. Ist die Ihnen wirklich erst jetzt aufgefallen?

Reinisch: Ich bin ja in die Politik über Scheider (Christian Scheider, ehemaliger Tennislehrer Jörg Haiders, dann BZÖ-Bürgermeister von Klagenfurt, nun FPÖ-Vize-Bürgermeister, Anm.) gekommen. Er hat gesungen, wir haben gemeinsam musiziert, das ist eine lässige Geschichte gewesen. Wir haben zusammen musiziert, und später war ich auf einmal drei Jahre Stadtrat. Ich bin da eher hineingestolpert. Aber wir blieben immer kritisch, wir waren nicht die FPÖ. Wir haben geschaut, dass wir etwas für die Leute machen. Rassismus war für uns kein Thema.

STANDARD: Das BZÖ fiel doch auch durch rassistische Aussagen auf.

Reinisch: Mag sein, dass es da die eine oder andere Person gab.

STANDARD: Welche meinen Sie?

Reinisch: Na ja, da muss man fragen: Wer ist BZÖ, wer FPÖ? Da gab es die Frau Susanne Winter, den Andreas Mölzer.

STANDARD: Was ist heute anders?

Reinisch: Die Flüchtlingskrise ist ein ganz willkommener Anlass, wo man als FPÖ polarisieren kann. Ich erlebe Konflikte in der Schule. Ich arbeite täglich mit Kindern, gehe mit ihnen turnen – auch mit Flüchtlingskindern. Diese Kinder schauen auf den ersten Blick ganz normal aus. Aber sie haben Schlimmstes erlebt, sind traumatisiert. Was da auf Facebook passiert, tut mir weh. Was da von Leuten, die ich schon lange kenne, geteilt wird, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich arbeite auch mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Da habe ich gewusst: Da kann ich nicht mehr dabei sein. Damit will ich nichts mehr zu tun haben.

STANDARD: Wird diese Stimmungsmache in sozialen Medien FPÖ- intern abgesprochen?

Reinisch: Ich war seit März 2015 bei keiner Klubsitzung mehr dabei. Ich beobachte nur, wie Leute rassistische Postings und nur negative Meldungen über Flüchtlinge teilen, ohne sie zu überprüfen. Sogar Scheider.

STANDARD: Steht Scheider so sehr unter Druck?

Reinisch: Unter einem gewissen Druck sicher. Er hat einfach die Wahl verloren und muss jetzt Kompromisse eingehen. Ich glaube nicht, dass alle in der FPÖ gegen Flüchtlinge sind. Aber damit kann man gut polarisieren. Aber selbst wenn die FPÖ damit 50 Prozent erreicht: Da bin ich nicht mehr dabei. Ich schau lieber, dass ich als Gemeinderat mit meiner Erfahrung Leuten dort helfe, wo wirklich der Schuh drückt, wo es Ungerechtigkeiten gibt.

STANDARD: Haben Sie Angebote von anderen Parteien, oder bleiben Sie wilder Gemeinderat?

Reinisch: Es hat mich noch niemand gefragt.

STANDARD: Wie alt sind die Kinder, die Sie unterrichten?

Reinisch: Ich unterrichte in der ersten Klasse einer Neuen Mittelschule. Die Kinder sind zwischen zehn und zwölf. Wir haben auch drei Flüchtlinge, zwei Buben und ein Mädchen. Beim Fußballspielen klappt es besser als vorher, da haben die Buben mehr Ruhe und Stabilität in die Klasse gebracht. Einer ist noch nicht einmal alphabetisiert. Aber wir schaffen das. Ich war schon im Jugoslawienkrieg Lehrer. Jetzt unterrichte ich auch Kinder der Flüchtlinge, die ich damals unterrichtet habe. Die meisten haben sich integriert, können oft besser Deutsch als mancher Österreicher.

STANDARD: Woher sind die drei Flüchtlingskinder in Ihrer Klasse?

Reinisch: Aus Afghanistan. Aber es ist mir vollkommen wurscht, wo sie herkommen. Jetzt sind sie da, und ich arbeite mit ihnen. (8.2.2016)