Originalschädel von Australopithecus sediba, der vor zwei Millionen Jahren in Südafrika lebte, mit Modell der virtuellen Beißbelastung. Die roten und weißen Flächen bedeuten besonders hohe Krafteinwirkung.

Foto: Brett Eloff

Wien – Sie lebten vor zwei bis vier Millionen Jahren in Afrika, hatten im Vergleich zu ihren Verwandten der Gattung Homo ein relativ kleines Gehirn, einen äußerst robusten Körperbau und eine vorstehende "Schnauze", die an die gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Affen erinnert. Außerdem sind bei den Vertretern von Australopithecus Kiefer und Zähne wesentlich größer.

Doch es gibt Ausreißer: Australopithecus sediba, der vor zwei Millionen Jahren in Südafrika lebte und 2010 erstmals beschrieben wurde, hatte zwar generell ein für seine Gattung typisches Aussehen. Seine Backenzähne konnten jedoch nicht so fest zubeißen wie die seiner nächsten Verwandten. Das behauptet ein internationales Forscherteam im Fachjournal "Nature Communications", das für die Studie virtuelle Modelle fossiler Schädel verglichen und den Kaudruck auf die Zähne simuliert hat.

Nüsse knacken im Notfall

Mit ähnlichen Methoden wird auch im Ingenieursbereich getestet, ob Maschinen- und Fahrzeugteile den erforderlichen Druck aushalten. In den Worten von Gerhard Weber, Anthropologe der Uni Wien und Ko-Autor der Studie: "Wenn Australopithecus sediba oft Nüsse geknackt hätte, hätte er sich wahrscheinlich regelmäßig den Kiefer ausgerenkt." Stattdessen könnte die Art ihre Nahrung zerkleinert haben. Werkzeuggebrauch und Fleischkonsum waren vermutlich auch bei anderen Australopithecinen üblich.

Das Studienergebnis spricht aber für einen noch höheren Anteil an weicher oder bearbeiteter Nahrung beim Sediba-Vertreter. "Spuren am Zahnschmelz sind ein Indiz dafür, dass er durchaus versucht hat, Nüsse aufzuknacken", so Weber, "aber wohl nur, wenn es nichts anderes mehr gab."

Verwandtschaftsverhältnisse unklar

Die Einordnung in den Stammbaum der Hominiden ist nicht eindeutig. Aufgrund ähnlicher Merkmale könnte Australopithecus sediba ein Nachfahre von Australopithecus africanus sein, der ebenfalls in Südafrika lebte, aber beispielsweise ein weniger ausgeprägtes Kinn besaß. Zeitgleich mit der Sediba-Art lebte mit Homo rudolfensis wahrscheinlich eine der ersten Arten dieser Gattung. Sie wird auf ein Alter von bis zu 2,5 Millionen Jahren datiert, weist aber ein wesentlich größeres Gehirn auf als der Australopithecus (750 versus 420 Kubikzentimeter Schädelvolumen).

Dass die Sediba-Art ein Vorläufer des Menschen sein könnte, glaubt Weber daher eher nicht: "Er war zwar für seine Gattung relativ grazil, hatte aber ein winziges Gehirn im Vergleich zu den damals schon existierenden Homo-Vertretern. Auch sein Fußskelett war nicht so gut an das aufrechte Gehen angepasst." (sic, 8.2.2016)