Ein etwa sechs Monate alter Proband beim Farbentest.

Foto: Jiale Yang, Chuo Universität

Tokio/Wien – Menschen können tausende Farbnuancen unterscheiden. Allerdings verfügen wir nur über eine relativ kleine Palette an Farbbezeichnungen. Doch in welcher Beziehung steht unsere Farbwahrnehmung zu den Namen der Farben? Sind die Kategorien unserer Farbenerkennung allein durch die visuelle Wahrnehmung vorgegeben oder spielt dabei auch die Sprache eine wichtige Rolle?

Über diese Fragen tobt in der Wissenschaft seit Jahren eine Grundsatzdebatte, bei der sich zwei Positionen gegenüberstehen: Die Vertreter der relativistischen Seite behaupten, dass Sprache nicht nur hilft, Dinge zu kategorisieren, sondern auch Einfluss darauf nimmt, wie wir das tun.

Farbe, Wort, Henne, Ei

Ihren bekanntesten Ausdruck fand diese These in den Arbeiten von Benjamin Lee Whorf und der von ihm mitformulierten Sapir-Whorf-Hypothese, die auf die Farbdebatte übertragen wie folgt lauten würde: Existiert für eine Farbnuance kein Wort, dann nehmen wir diese Unterschiede auch nicht bewusst als eigenen Farbton wahr – oder tun uns schwerer, diese Farbnuance zu unterscheiden.

Auf der anderen Seite stehen die Universalisten. Sie verweisen unter anderem auf die Daten des World Color Survey, in dem die Farbbezeichnungen von 110 Sprachen aufgenommen sind. Beim Vergleich dieser Farbnamen fällt auf, dass es bestimmte Kategorien gibt, die den meisten Sprachen gemeinsam sind. Und das würde darauf hindeuten, dass am Anfang doch die Farbe ist und dann erst das Wort kommt.

Kindertest

Unterstützung fand diese These durch Tests mit Kleinkindern, die der Sprache noch nicht mächtig sind. Die Aussagekraft solcher Studien war bisher indes begrenzt. Doch nun entwarfen japanische Forscher eine Versuchsanordnung, die den Primat der visuellen Kategorien vor den sprachlichen recht eindeutig zu dokumentieren scheint.

Die Forscher um Jiale Yang ließen für ihre Studie im Fachblatt "PNAS" fünf bis sieben Monate alte Kleinkinder verschiedene geometrische Figuren betrachten, und zwar einmal in Grün und Blau und einmal in verschiedenen Grüntönen. Bei der gleichzeitig erfolgten Messung der Hirnaktivitäten zeigte sich, dass die zwei verschiedenen Farben im visuellen Kortex unterschiedlich repräsentiert sind – ähnlich wie bei Erwachsenen. Das deute darauf hin, dass Farbkategorien etwas Universelles sein dürften. (tasch, 8. 2. 2016)