Die Frage nach der Trendfarbe ist in der Möbelwelt nicht immer einfach zu beantworten: Damit jeder seine Farbe findet, bietet der dänische Hersteller Montana seine Stausysteme gleich in 42 Farben an. Der zeitlose Stuhl "Bachelor" von Verner Panton passt dazu.

Foto: www.montana.dk

Das Bild stammt aus der "Montana Collection" des gleichnamigen dänischen Stauraumspezialisten. www.montana.dk

Foto: www.montana.dk

Was das Rambazamba betrifft, verhält es sich ein wenig wie mit den Golden Globes und den Oscars. Die Stars sind allerdings nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Holz, Kunststoff, Glas oder irgendwelchen Hightech-Mixturen. Was der Filmwelt die Golden Globes, ist der Möbelszene in Sachen Highlights die vor kurzem zu Ende gegangene Kölner Möbelmesse "imm cologne". Oscars gibt's auch.

Die werden Mitte April in Form der Mailänder Möbelmesse "Salone del Mobile" für einigen Wirbel sorgen. Während der Messetage ist die Stadt völlig aus dem Häuschen, Partys steigen bei jedem Möbeltandler und Hotelzimmer sind so rar wie Hipster auf einem Helene-Fischer-Konzert.

Über 300.000 Besucher zählte die Messe im vergangenen Jahr, allesamt reisten an, um zu sehen, was Möbelhersteller aus aller Welt feilbieten. Wirkliche Sensationen bleiben freilich aus, denn – um es flapsig zu formulieren – gesessen wird noch immer auf Sesseln, geknozt noch immer auf Sofas und gespeist auch in diesem Jahr noch an Tischen. Nils Holger Moormann, die Nr. 1 des beherzten deutschen Möbelhandels, sagte einmal über die Mailänder Messe: "Es gibt mittlerweile einfach zu viel Gutes. Es ist, als würde man ein exzellentes Fünfgängemenü verspeisen, und dann wird einem gleich noch ein Siebengängemenü vorgesetzt. Da ist einfach nichts mehr, das man anhimmeln könnte."

Heiße Entwicklungen?

Allein 100.000 verschiedene Produkte gab es vor wenigen Wochen auch auf der Kölner Möbelmesse zu sehen. An Neuheiten mangelt es offenbar nicht, eher an Kanälen, all die Dinge in einer höheren Frequenz an den Mann und die Frau zu bringen. Ein marketingtechnisches Gaspedal, das von der Industrie immer stärker durchgetreten wird, ist die Erfindung von Trends. Sie sollen vermehrt das Bedürfnis nach Neuem anheizen. Fast krampfartig taucht schon im Vorfeld einer Möbelmesse die Frage nach den heißesten Einrichtungstendenzen auf. Aber warum? Ist der Sessel, den man vor vielleicht fünf Jahren gekauft hat, nicht mehr gut und fesch genug für den Allerwertesten?

Die Zeiten, in denen man ein Schlafzimmer oder eine Wohnzimmereinrichtung ein Leben lang behielt, sind definitiv vorbei. Das liegt vor allen an gesellschaftlichen Veränderungen. Die Frequenz, das Bedürfnis nach Abwechslung steigt und steigt. Das gilt für Kleidung ebenso wie für Unterhaltung, Möbel, fürs Essen und wenn man will sogar für Ehepartner. Einen weiteren Grund, warum Trends früher nicht den Stellenwert von heute hatten, spricht Roberto Minotti vom gleichnamigen italienischen Hersteller an: "Früher hatten die Menschen weniger Geld und es war ihnen wichtiger Traditionelles hochzuhalten. Das Traditionelle kann mit dem Tempo unserer Welt nicht mehr mithalten."

Tische & T-Shirts

Auf ein wichtiges Mittel, Trends auf die Beine zu helfen, muss die Branche im Gegensatz zur Modewelt weitgehend verzichten: Das äußerst effektive Werkzeug namens Medienpräsenz. Ein neuer Sessel schafft es im Gegensatz zu einem Topmodel in der neuesten Chanel-Robe niemals auf die Titelseite einer Tageszeitung. Während eine Heidi Klum in der ersten Reihe einer Modeschau medial gesehen noch immer ein ganzes Rudel Hunde hinter dem Ofen hervorholt, gelingt dies selbst so großen Designern wie Konstantin Grcic oder Jasper Morrisson kaum. Und noch etwas schafft die Möbelindustrie, so schnelllebig die Zeit auch sein mag, nach wie vor nicht: dem Otto Normalzeitgenossen einzureden, er solle seine Einrichtung wechseln wie seine Garderobe. Gründe dafür gibt es genug und sei es nur die Tatsache, dass ein Tisch eben kein T-Shirt ist.

Woran es der Branche im Gegensatz zu echtem Glamour und Persönlichkeiten offensichtlich nicht mangelt, ist die Möglichkeit, bezüglich Trends aus dem Vollen zu schöpfen. Dünne Stuhlbeinchen, hohe Lehnen, pralle Kissen, schwebende Regale, hölzerne Hocker, gläserne Tische oder steinerne Leuchten. In Sachen Form, Farbe und Material können schier unendlich viele Trends in die Welt hinausposaunt werden. Die Frage dabei lautet aber: Welche Berechtigung haben sie, als solche verkauft zu werden?

Formensprache

Gernot Bohmann, Teil des heimischen Designertrios Eoos, sieht das Tamtam um Trends gelassen. "Es sind vor allem Journalisten, die uns auf Messen nach Trends fragen. Trends sind eher deren Ding. Wir als Designer sind im Prinzip unfähig, sie zu erkennen. Die Sache beschäftigt uns auch nicht wirklich. Ein Entwurf beschäftigt unser Büro zwischen einem und drei Jahren. Würden wir versuchen, Trends zu folgen, wären wir viel zu spät dran. Also nehmen wir sie auch nicht ernst." Weiters ortet Bohmann die Gefahr, kurzlebig zu werden, wenn man mittels eines Entwurfs versucht, einem Trend bzw. dem Markt zu entsprechen.

Die Frage, ob allerdings nicht eine Gefahr darin besteht, einen spürbaren Trend zu ignorieren, beantwortet der Gestalter, der mit seinen Kompagnons unter anderem Möbel für Keilhauer, Walter Knoll oder Carl Hansen & Søn entwarf, folgendermaßen: "Wir suchen uns lieber Kunden, die geradlinig ihren Weg gehen und nicht versuchen, dem Markt zu folgen."

Bohmann spricht von einem Ausdruck der Zeit, bezüglich Formensprache von Dekaden: "Nur Dinge, die ihre Zeit am besten verkörpern, haben das Zeug zu Klassikern." Dies kann freilich nur im Nachhinein geschehen, während ein Trend versucht, zu bestimmen, was in der Kristallkugel zu sehen sein wird. Diesbezüglich sind die Trendsetter einfallsreich, wer auch immer sich zu dieser Schar zählen darf .

Marmor, Stein und Kurven

Sieht man sich die Zusendungen von Messeveranstaltern, Branchenvertretern und anderen Involvierten an, übersteigt die Zahl der verkündeten Trends locker die Anzahl der Cafeterias auf einer Messe: Die Trends, abgeleitet von sogenannten Megatrends wie Neoökologie oder Silver-Society, heißen im heurigen Jahr: Wellbeing (als wolle sich jemand in seiner Stube nicht wohlfühlen), Marmor/Stein/Kupfer, Rosé und Blassblau, auch Grau, Statement-Chairs (das sind vierbeinige Sessel, die was hermachen), Lampenschirme aus Glas, natürliche Oberflächen, Kurven statt Kuben, Vormarsch der Zweisitzer, weiterhin Ohrensessel, viel Textil, bunte durchaus stilbrechende Tapeten, vermöbelter Beton, Mid-Century-Stil, "neues" Lernen, kleinere Möbel weil kleinerer Wohnraum, Nostalgiecharakter und, und, und.

Naturgemäß differenzierter als die Designer sieht der Handel die Angelegenheit, schließlich will man auch in einem Schaufenster nicht immer dasselbe sehen. Markus Kilga, der mit seiner Möbelagentur von seinem schicken Schauraum in der Innsbrucker Altstadt aus so große Namen wie Poliform, Varenna, Tom Dixon oder Lammhults vertreibt, ist in Sachen Trends erstaunlich relaxed: "Der Trend erfindet nichts neu. Ich sehe hinter Trends eine Art zeitgemäße Inszenierung von Traditionen. Gesehen hat man freilich fast alles schon auf die eine oder andere Art."

Gerade bei den großen Unternehmen, die Kilga vertritt, die auch als Trendsetter bezeichnet werden, er einen verstärkten Hang zu längerfristigen Konzepten, zum Beispiel den Indoor-Bereich auch in den Outdoor-Bereich zu transferieren. Dies ist übrigens eine Entwicklung, die in den letzten Jahren generell bei vielen Anbietern zu bemerken ist.

Kontraproduktiv

Die Sehnsucht nach Trends erklärt Kilga mit einer Form von "beim Neuesten dabei sein wollen". Dass man diesem Bedürfnis nicht wie in der Mode nachgehen kann, ist dem Möbelmann klar: "Soll man auch gar nicht. Man kann im Einrichtungsbereich vor allem durch Akzente aktuellen Strömungen folgen." Kilga denkt dabei an abgesteppte Polster, Vasen oder Beistelltischchen. Trends, da sind sich viele Einrichter einig, lassen sich wunderbar durch Adaptionen ins Umfeld einbeziehen.

Leuchten aus Kupfer und vor allem Samt als Textil sind schon seit geraumer Zeit an sehr vielen Ecken und Enden zu sehen. Es geht nicht darum – dem widerspricht auch Markus Kilga keineswegs -, jedes Jahr sein Mobiliar auszutauschen. Gerade im hochwertigen Einrichtungsbereich müsste dies wohl auch definitiv als kontraproduktiv eingestuft werden.

Es drängt sich die Frage auf, wann denn nun ein Trend auch wirklich ein Trend ist. "Ich denke, ein Trend ist ein Trend, wenn er aus dem reinen Trendbook in die Regale der Geschäfte und in die Wohnungen hinübergeschwappt ist. So etwas dauert", ist sich Marianne Goebl sicher. Sie stand geraume Zeit der Messe "Design Miami" vor und leitet nun die Geschicke des finnischen Traditionshauses Artek, das 1935 vom großen Alvar Aalto gegründet wurde und noch immer 80 Jahre alte Entwürfe im Programm hat. Generell sieht sie die Sache mit den Trends ein wenig entschleunigter: "Prinzipiell ist die Möbelbranche eine sehr langsame, was mir sympathisch ist. Im Normalfall kauft man Produkte ja für Jahrzehnte".

Die Qual der Wahl

Warum uns die Branche mit Trends bombardiert, beantwortet die Fachfrau mit einer Gegenfrage. "Machen das die Hersteller oder will das die Berichterstattung? Wahrscheinlich ist es eine Mischung. Ich glaube, dass es wie in der Mode einen Unterschied zwischen dem gibt, was gezeigt und was gekauft wird. Wir verkaufen zwar keine Sofas, aber ich gehe davon aus, dass 80 Prozent der Sofas cremefarben, zehn Prozent in Anthrazit und der kleine Rest in ein paar Farben verkauft werden." Goebl spricht im Zusammenhang mit Tendenzen von Geschmackszyklen, die vor allem Farben und Oberflächen betreffen. Den Zeitraum für einen Zyklus in der Branche benamst sie mit fünf Jahren, sprich fünf Mal Köln und fünf Mal Mailand.

Wenn es wirklich so ist, wie der erwähnte Nils Holger Moormann es ausdrückte, dass es einfach "zu viel Gutes gibt", bedeutet dies unterm Strich nichts Negatives. Was nach einem langen Messetag oder einem Besuch im Möbelhaus bleibt, ist lediglich die Qual der Wahl. Es geht darum, herauszufinden, was von all dem Guten das Beste für einen selbst ist, denn gutes Design ist gekommen, um zu bleiben. Trend hin oder her. (Michael Hausenblas, RONDO, 12.2.2016)


Wohin die Möbelreise geht

Foto: Hersteller

Remodeling

Nach wie vor äußerst gefragt sind klassische Entwürfe, oder sogenannte Remodelings, also Entwürfe, die man seit langem kennt, und welche in Sachen Farbe oder Material umgemodelt wurden. Zu dieser großen Sippe zählt auch der Entwurf S 34 N von Thonet, den es wie andere Stahlrohrklassiker aus der Familie nun wetterfest gibt.

www.thonet.de

Foto: Hersteller

Naturburschen

Natur pur ist weiterhin eines der Themen im Möbelbereich. Ob Stein oder Filz, die Sehnsucht nach einem Gegenstück zur virtuellen Welt ist ungebrochen. In Sachen Holz besonders auffällig: Tische können gar nicht groß genug sein. Zum e15 Esstisch Fayland gesellt sich nun der Couchtisch e15 Leighton von David Chipperfield .

www.e15.com

Foto: Hersteller

Staging

Cocooning hin oder her: Möbelstücke lösen sich zusehends von der Wand und werden zu repräsentativen Inseln im Raum. Dafür besonders geeignet sind Stücke wie das Kuschel-Eiland Rivera von Minotti, das zu einer ganzen Familie gehört, die auch outdoor einiges aushält, was generell für eine wachsende Schar von Möbeln gilt.

www.minotti.com

Foto: Hersteller

Samtstück

Besonders top in Sachen Bezugsstoffe ist weiterhin Samt, ein Textil, das Haptik und Sinnlichkeit von so manchem Polstermöbel stärker herausholt und einen Schuss Nostalgie ausstrahlt. Das dachte man sich auch bei Molteni & C und nahm Gio Pontis Sitzmöbel D.154.2 aus den 1950er-Jahren in die Ponti-Kollektion auf.

www.molteni.it