Körpererfahrungen als Synoptik der Melancholie, etwa in "o.T. (the emotionality of the jaw)".

Foto: Eva Würdinger

Wenn Ian Kaler auftritt, dann stets umgeben von einer ans Abgründige grenzenden Atmosphäre, einer Mischung aus Melancholie und Aufbegehren. Der in Berlin und Wien aktive Tänzer und Choreograf zeigt ab Donnerstag an drei Abenden im Tanzquartier Wien je ein Stück seines auf vier Teile angelegten Projekts o.T.. Zwei dieser Arbeiten, the emotionality of the jaw und gateways to movement, haben bereits im Vorjahr ihr Publikum überzeugt. Die dritte mit dem Titel synopsises ist brandneu.

Für alle diese Choreografien hat die Bühnenbildnerin Stephanie Rauch den passenden Black-Box-Hades gebaut, und Jam Rostron – auch Aquarian Jugs oder Planningtorock – steuert, teils mit Houeida Hedfi, den Live-Sound bei. Das Besondere an o.T. ist, dass Kaler hier eine spezielle Tanzpraxis anwendet, die er als Neuinterpretation des Verhältnisses zwischen Körperbewegung und Musik entwickelt hat. In the emotionality of the jaw zeigt er als Solotänzer, wie man sich das vorzustellen hat. Und bei gateways to movement baut er mit Philipp Gehmacher ein Spannungsfeld auf, in dem die beiden die in ihren Körpern gespeicherten Bewegungsphilosophien miteinander verschränken.

Dem ist, trotz der Emotionsgeladenheit beider Arbeiten, eine gewisse Coolness nicht abzusprechen, die vor allem aus Kalers und Rostrons Erfahrungen mit der Berliner Clubszene kommt. In synopsises werden diese zwei Stücke zusammengeführt.

Während des Live-DJ-Sets, das am Ende kommt, kann das Publikum sich, wie es im Programm heißt, "selbst tanzend erfahren". Man muss das nicht so selbsterfahrungspathetisch nehmen, wie es klingt, sondern eher als verlockendes Angebot, mit eigener körperlicher Aktion in den Emotionsraum von o.T. einzutauchen. (ploe, 9.2.2016)