64.000 Tonnen Rohöl flossen 2002 ins Meer und verschmutzten auch die fjordähnlichen Küsten Galiciens.

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Superlative ziehen durch die Medien, wenn Länder wie Australien, Kamerun oder der Inselstaat Kiribati und das Cook-Archipel die Ausweisung neuer Meeresreservate bekanntgeben. "Größtes Schutzgebiet der Welt" heißt es, oder "so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen". Antonio García Allut lässt sich von solchen Nachrichten nicht beeindrucken. Der 59-jährige Spanier misstraut ihnen ganz einfach. "Hier geht es um gutes Image", sagt der Galicier in seinem Büro in A Coruña, "solche Riesenreservate haben meistens keinen vernünftigen Verwaltungsplan". Sie beförderten sogar illegalen Fischfang, sagt der Professor für Anthropologie, "denn Kontrollen kann man auf diesen enormen Gebieten kaum mehr durchführen".

García Allut macht das anders. Seit sechs Jahren arbeitet er mit Unterstützung der internationalen Stiftung Ashoka und eines galicischen Textilimperiums an einem nachhaltigen Verwaltungsplan hinsichtlich Galiciens Fischreichtums. Die nordwestspanische Region hat eine Flotte von 4300 Kuttern, die vor der 1200 Kilometer langen Atlantikküste arbeiten. 14.000 Menschen leben in Galicien direkt vom Fischfang, von Muschelzucht oder vom Sammeln diverser Meerestiere in den fjordähnlichen Küstenabschnitten Galiciens. Die Region stand bislang für hochwertige Meeresprodukte, großen Artenreichtum, und, so García Allut, "eine stark vom Meer geprägte Identität".

Schutz nach Katastrophe

Doch als im November 2002 der Öltanker Prestige vor der Küste sank und 64.000 Tonnen Rohöl ins Meer flossen, erlitt die Region ein kollektives Trauma. Eine Art, damit fertig zu werden, war 2007 die Gründung eines ersten, rund 2000 Hektar großen "Meeresschutzgebietes mit fischereilichen Interessen", wie es genannt wurde. Rund 40 Fischer von Lira, einem kleinen Ort an der Küste, hatten es gestaltet, gemeinsam mit WWF Spanien, García Allut und dem Spanischen Ozeanografischen Institut.

Diese erste Initiative stieß international und regional auf großes Echo: Erstmals definierten Fischer, wie verantwortliche Nutzung von Meeresressourcen und konkret 16 geschützten Arten von Fischen, Algen und Weichtieren aussehen sollte. Das Konkurrenzverhältnis zu Umweltschützern und das Ohnmachtsgefühl gegenüber Politikern waren gebrochen. Die Fischer sahen sich nicht mehr als entmündigte Opfer, sondern fühlten sich ermächtigt und geachtet. Seitdem funktioniert das Reservat nach den Regeln sozialer und biologischer Nachhaltigkeit. Viele Arten erholen sich, die Netze sind voller, obwohl die Fischer selbstauferlegte Regeln zu Fangquoten, Schonzeiten und Netzgröße befolgen. Und sie sehen sich als Hüter der Ressourcen und glauben wieder an die Zukunft traditioneller Küstenfischerei. Das Modell Os Miñarzos, wie das Reservat heißt, ist zukunftsträchtig, weil "dort die Gesellschaft am Aufbau einer besseren Welt teilhat", so García Allut.

Mittlerweile hat der Spanier die Stiftung Lonxanet gegründet und seinen Job an der Universität von A Coruña aufgegeben. Denn er hat viel Arbeit. Fischer der umliegenden Häfen baten ihn 2009 um Unterstützung bei der Gründung ähnlicher Schutzgebiete. Seitdem entwickeln Fischer aus acht Häfen der Region mit Juristen, Wirtschaftswissenschaftern, Biologen und Umweltschützern den Gesetzesentwurf zum "vermutlich weltweit größten selbstverwalteten Meeresreservat der Welt", wie Allut es ungern formuliert.

Der Mann ist kein Freund von Superlativen, gesteht aber ein, dass sie helfen, wenn es um das Verhandeln von Fangquoten mit Brüssel geht. Das Ziel ist greifbar: Spätestens im Juli sollen 100.000 Hektar Meer vor Galiciens Küste geschützt und nur nachhaltiger Fischerei zugänglich sein. Das entspricht einer Küstenlänge von 150 Kilometern und einer Weite von bis zu zehn Kilometern.

Das Reservat wird nicht nur den Erhalt gastronomisch so beliebter Arten wie Krake, Tintenfisch, Samtkrabbe und Seebarsch ermöglichen, dort wird auch das Überleben eines jahrtausendealten Berufsstandes gesichert. Nur traditionelle Fischerei garantiere, so Allut, dass wir weiterhin Meerestiere essen können. "Wer soll uns denn sonst mit Fisch versorgen", fragt er, "Schleppnetzfischer und Piraten?" (Brigitte Kramer aus A Coruña, 11.2.2016)