Michelle bei der Arbeit in einer der stark gestörten hinteren Grabkammern.

foto: british museum

Bemalte Goldfragmente aus Grab G321 nach der Restaurierung.

foto: british museum

Valentina bei der Keramikbearbeitung im Grabungshaus.

foto: british museum

Einer von bisher nur zwei in Amara West gefundenen Bronzespiegeln aus Grab G321.

foto: british museum

Freigelegte Reste von Bemalung an einem der neugefundenen Holzsärge.

foto: british museum

Mohamed und Rami legen den Schacht des neuen Grabes auf dem Felsplateau östlich der Stadt frei. Von dort hat man einen großartigen Ausblick auf die Stadt und den Fluss.

foto: british museum

Woche sechs der Ausgrabungen in Amara West verlief vergleichsweise ruhig, auch wenn uns der starke Wind die Arbeit nach wie vor etwas erschwert. Das wichtigste Ereignis war der Abschluss der Arbeiten im großen Pyramidengrab G321. Dies ging um einiges schneller vonstatten, da wir im Laufe der Grabung feststellen mussten, dass das Grab sehr stark geplündert war und daher kaum noch intakte Reste von Bestattungen vorhanden waren.

Grabraub war im alten Ägypten, wie auch in zahlreichen anderen Kulturen weltweit, sehr weit verbreitet. Obwohl wir den genauen Zeitpunkt der Beraubung nicht mehr feststellen können, gibt es Hinweise darauf, dass dies oft relativ kurz nach der Bestattung stattfand. So finden wir in beraubten Gräbern in Amara West immer wieder einzelne Körperteile wie Füße oder ganze Beine, die zwar an sich intakt sind, jedoch nicht mit einem Skelett in Verbindung stehen. Dies deutet darauf hin, dass die Bestattung zu einem Zeitpunkt beraubt wurde, in dem die Bänder, welche die Gelenke verbinden, noch nicht vollständig verwest waren.

Im heißen trockenen Wüstenklima kann das Weichgewebe zwar auch über Jahrtausende im Sinne einer natürlichen Mumifizierung erhalten bleiben. Trotzdem sind die Bestattungen in Amara West heute alle vollständig skelettiert, sodass wir von einer Beraubung innerhalb weniger Jahrhunderte ausgehen können.

Ein Spiegel der Mischkultur

Unabhängig von der starken Störung ermöglicht Grab G321 trotzdem einige wichtige Einblicke in Bestattungsriten, Sozialstruktur und kulturelle Zusammenhänge in Amara West zwischen 1300 und 1100 vor unserer Zeit. Obwohl die Architektur des Grabes ober- und unterirdisch vollständig ägyptischen Vorbildern entspricht, wurden andere Elemente wie die Totenbetten aus dem nubischen Totenbrauchtum entnommen. Die Motivation hinter dieser Entscheidung bleibt uns verborgen. Die vielen unterschiedlichen Kombinationen, die wir in Amara West in den vergangenen Jahren finden konnten, deuten möglicherweise auch auf ein großes Maß an individueller Präferenz hin. Die Gräber sind damit vermutlich auch ein guter Spiegel der hier im Laufe der Jahrhunderte entstandenen Mischkultur an der Schnittstelle zwischen dem ägyptischen Reich und den nubischen Nachbarn im Süden.

Zu den übrigen Funden in dem Grab zählen Keramik, ein Skarabäus und – das erste Mal in Amara West – eine beachtliche Menge an Fragmenten dünner Goldfolie, die teilweise noch Reste von Bemalung trägt. Noch ist nicht ganz klar, auf was für einem Gegenstand die Folie ursprünglich angebracht war. Maickel wird die kleinen Stücke in den nächsten Wochen vorsichtig glätten, danach lässt sich die Funktion vielleicht klären. Denkbar ist beispielsweise, dass es sich um den Überzug einer hölzernen Totenmaske handelte. Vergleichbare Objekte gibt es immer wieder in ägyptischen Elitegräbern – die Folie deutet auf den hohen Status der Besitzer von Grab G321 hin.

Goldrausch im Norden des Sudans

Das verwendete Gold kommt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus der nahen Umgebung. Nubien ist bis heute sehr reich an Goldvorkommen. Das Metall stellte bereits zu pharaonischer Zeit eines der wichtigsten Exportgüter der Region dar. So gibt es aus ägyptischen Tempeln und Gräbern zahlreiche Darstellungen von Nubiern, die dem Pharao Goldtribute bringen. Verarbeitet wurde das Rohmaterial, das hier sowohl im Gestein als auch in Flusssedimenten zu finden ist, in den nubischen Siedlungen. Auch für Amara West dürfte der Abbau, Handel und Transport von Gold eine wichtige Rolle gespielt haben. So finden wir auch immer wieder Reibsteine, die zur Verarbeitung von goldhaltigem Quarz gedient haben dürften.

Dass die Goldvorkommen noch lange nicht erschöpft sind, wurde erst vor wenigen Jahren wieder entdeckt. Der Norden des Sudans erlebt derzeit einen wahren Goldrausch. Entlang der Straße von Khartum sieht man immer wieder Camps und die Landschaft ist über weite Strecken zerfurcht von Baggern. Auch in Amara bekommen wir immer wieder Besuch von Wagenladungen von Männern, die mit Metalldetektoren auf der Suche nach Gold sind. Die antike Siedlung und die umliegenden Friedhöfe sind bisher jedoch von deren Aktivität verschont geblieben.

Keramik hilft bei zeitlicher Einordnung

Die Keramik in den Gräbern ist abgesehen von ihrer Aussagekraft zum Totenritual auch wichtig für die zeitliche Einordnung. Die Datierung der Gräber, die wir dieses Jahr untersuchen, basiert bisher ausschließlich auf Keramiktypen. Die hier vorkommenden Gefäßformen finden zahlreiche Parallelen in verschiedenen Fundstellen in Ägypten. Dort ist deren genaue zeitliche Einordnung aufgrund von Schriftquellen möglich. Diese Technik ist in der Archäologie nach wie vor sehr weit verbreitet.

Alternativ kann das Alter von Fundstellen heute natürlich auch durch Radiokarbondatierung festgestellt werden, doch auch hier gibt es gewisse Schwankungsbreiten, sodass diese für den altägyptischen Raum, für den die Keramik sehr gut bekannt ist, nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen führt. Die Bearbeitung der Keramik wird im Grabungshaus von zwei Spezialistinnen durchgeführt. Zu ihren Aufgaben zählt die Beschreibung der Gefäße, deren Herstellungsweise und Tonart sowie die zeichnerische Dokumentation.

Durch die Arbeit der beiden Keramikspezialistinnen wissen wir mittlerweile auch, dass G322, in dem Mohamed und mittlerweile auch Michelle in den beiden hinteren Grabkammern arbeiten, bereits zur Anfangszeit von Amara West (19. Dynastie, 13. Jahrhundert vor unserer Zeit) gebaut wurde. Die hinteren Grabkammern sind leider ebenfalls stark beraubt, in diesem Fall wurde jedoch offenbar nicht sehr sorgfältig vorgegangen.

Obwohl die Bestattungen kaum intakt sind, konnte Mohamed im Laufe der vergangenen Woche mehrere geschnitzte Elfenbeinnadeln sowie einen bronzenen Spiegel bergen. Auch Maickel konnte bei seiner Arbeit an den Sargresten, die er in der Vorwoche vor der Bergung im Grab gehärtet hatte, schöne Fortschritte machen. Nach der vorsichtigen Entfernung von Sand und Härtungslösung zeigten sich an der Unterseite Reste der Bemalung.

Vielversprechender Grabhügel

Eine weitere Neuigkeit der vergangenen Tage ist der Beginn der Ausgrabung in einem Grab auf dem Felsplateau östlich des Friedhofes C. Dort gibt es eigentlich keinen Friedhof, sondern lediglich einen einzelnen Grabhügel. Keramik an der Oberfläche deutet darauf hin, dass dieser in die Endphase der Siedlungszeit Amara Wests, im 8./9. Jahrhundert vor unserer Zeit, gebaut wurde. Der Lage und die Tatsache, dass das Grab ebenfalls in Fels gehauen wurde, lassen eine hohe soziale Position der Bestatteten vermuten. Ob wir damit recht haben, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. (Michaela Binder, 11.2.2016)