Kinder mehrsprachig zu erziehen ist ein Mehraufwand. Es bietet Eltern der zweiten Generation aber auch die Chance, sprachlich mit dem Kind mitzuwachsen.

foto: standard/christian fischer

Ich gehöre zusammen mit einer Menge Jungeltern zu der zweiten Generation Migrantinnen und Migranten in Österreich. Wir sind Kinder derjenigen, die tatsächlich ausgewandert sind. Wir sind in Österreich geboren oder waren noch sehr jung, als wir hierherkamen. Ich selbst war im Volksschulalter.

Für uns ist Deutsch eine weitere Muttersprache neben der unserer Eltern. Wir wurden auf Deutsch eingeschult, haben auf Deutsch unsere Ausbildung absolviert und unsere berufliche Laufbahn gestartet. Deutsch ist für uns zentral im Alltag. Und wenn es darum geht, komplexe Sachverhalte zu besprechen, sind wir auf Deutsch besser und eloquenter.

Die Entscheidung

Es kommt der Moment der Entscheidung, wenn das erste Kind in unser Leben tritt. In welcher Sprache sollen wir mit unserem Kind sprechen? Auf Deutsch, weil es unsere stärkere Sprache ist? Oder doch in der Sprache unserer eigenen Eltern, um dem Kind eine weitere sprachliche und kulturelle Chance zu eröffnen, um es mit all den Kosewörtern zu überhäufen, wie es damals unsere Eltern mit uns getan haben? Es ist keine leichte Entscheidung. Es gibt vieles, was für beide Möglichkeiten spricht.

Die größte Angst, die Eltern der zweiten Generation haben, ist, dass sie selbst nicht mehr die Sprache ihrer Eltern gut genug können, um sie ihren eigenen Kindern weiterzugeben.

Mit dem Kind mitwachsen

Eine Mutter erzählte mir, dass sie in Österreich geboren wurde, als Tochter einer thailändischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Sie hatte sich entschieden, mit ihrem Kind Thai zu sprechen, denn sonst hätte es keine Chance, diese Sprache zu lernen. "Am Anfang war es komisch", sagte sie, "aber auch schön, es hat viele Erinnerungen an meine eigene Kindheit mit meiner Mutter wachgerufen. Und der Umgang mit ihr intensivierte sich. Nach einigen Wochen war es das Natürlichste der Welt für mich, mein Kind auf Thai anzusprechen."

Eine andere Mutter erzählte mir, seitdem ihr Sohn in den Kindergarten gehe, sei sein Wortschatz auf Deutsch explodiert, und sie könne kaum mit dem Kroatischen mithalten: "Ich muss oft überlegen – wie hieß das nochmals auf Kroatisch? Ich merke richtig, wie ich sprachlich mit meinem Kind mitwachse. Damit ich ihm den reichen Wortschatz bieten kann, entwickle ich mich selbst sprachlich weiter." Und genau das ist das Geheimnis, um mit dieser Angst umzugehen. Wir selbst müssen an unserer Sprache arbeiten, damit wir unsere Kinder fördern können – und wir müssen authentisch sein.

Zugeben, wenn einem ein Wort nicht einfällt, kennt man es meist, aber es liegt vergraben unter der Last jahrelanger Nichtverwendung. Gemeinsam mit unserem Kind können wir das Wörterbuch aufschlagen, googeln oder wie auch immer nachsehen und gemeinsam dazulernen. Meine Tochter bekam zum zweiten Geburtstag ein Tiermemoryspiel, und ich wurde abgefragt: Mama, wie heißt das (Dachs) und das (Waschbär) und das (Otter) et cetera auf Bulgarisch? Ich musste zugeben, dass ich es im Moment nicht wusste. Gut, dass mein Vater gerade zu Besuch war, er hat uns beiden eine kleine zoologische Sprachlektion gegeben.

Sprache und Gefühl

Es hört sich nach großem Mehraufwand an, das kann man nicht leugnen. Aber wir vermitteln mit Sprache noch so viel mehr als Wortschatz und Grammatik, zum Beispiel Gefühle, die wir als Kinder von unseren Eltern in ihrer Sprache bekommen haben. In dieser Sprache wurden wir in den Schlaf gewiegt, wurden wir liebkost und getröstet. Es ist die Sprache, in der das Kind in uns Liebe und Geborgenheit von den Eltern erfahren hat.

Wir müssen nicht alles alleine bewältigen, wenn es um die sprachliche Erziehung unseres Kindes geht. Wir haben das Glück, dass es in Österreich eine Reihe von Angeboten gibt; kostenloser Muttersprachenunterricht, viele sehr aktive Vereine, die ähnliche Angebote haben, Nachmittags- oder Wochenendschulen mancher Communitys, öffentliche Schulen mit sprachlichen Schwerpunkten und so weiter. Alle diese Möglichkeiten fördern mehrsprachige Kinder. Wir müssen sie nur nutzen! (Zwetelina Ortega, 15.2.2016)