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Seit Strache wegen innerparteilichen Shitstorms in den sauren Apfel Norbert Hofer beißen musste, fragen sich viele, was aus Ursula Stenzel geworden ist. Wahrscheinlich nicht viel, aber man sollte die Rolle eines Wiener Gemeinderates in der Weltgeschichte selbst dann nicht unterschätzen, wenn es sich dabei um ein persönliches Ausgedinge handelt. Es kommt immer drauf an, was man aus der Rolle macht, die einem das Schicksal zugedacht hat. Oder die Medien, was ja oft auf dasselbe herauskommt. Da ist zum Beispiel dem Minister für unser lebenswertes Österreich diese Woche wieder ein Coup gelungen. Behauptete doch die "Kronen Zeitung", Österreich gilt als die kulinarische Schatzkammer Europas. Ja natürlich! Nirgendwo wächst die Speisekarte fast vollständig auf den Feldern des eigenen Landes. Armes Frankreich, armes Italien! ist man versucht, sich in kulinarischem Mitleid zu üben, wo mögen eure Speisekarten wachsen, wo ihr doch nicht mit österreichischen Feldern gesegnet seid!

So viel Patriotismus wollte angemessen zur Schau gestellt sein. Die "Kronen Zeitung" und die Genuss Region Österreich vergeben die "Krone der Gastlichkeit." Und jetzt kommt's: Minister Andrä Rupprechter gratulierte, und ins Bild mit den "Krone"-Gekrönten durfte er auch. Ursula Stenzel muss mit Strache auskommen.

Im Bemühen, ein gutes Bild von Österreich zu vermitteln, lässt sich die "Krone" von niemandem übertreffen, und wenn sie sich dafür selbst zum Gegenstand tiefsinniger Überlegungen machen muss. In solchen versuchte sich ein gewisser Klaus Herrmann, der während des Aufenthaltes der Herausgeber im lebensfeindlichen Ausland den geschäftsführenden Chefredakteur gibt. Für ihn wächst die journalistische Speisekarte nicht nur fast, sondern total vollständig auf den Feldern des eigenen Geistes: Er wehrt sich entschieden gegen die Empfehlung des Presserates. Der verlangt, alles durch die rosarote Brille zu sehen. Er tut dies, indem er die Meinung vertritt: In Fällen, in denen die Herkunft des Täters für die Schilderung der Straftat und für das Verständnis der Leser nicht relevant ist, sollte darauf verzichtet werden, die Herkunft zu nennen.

Dass sich sichtlich viele österreichische Medien an diese Empfehlung halten, erscheint Herrmann bizarr. Während die "Krone" nie etwas anderes im Sinn hat als aufklärend im besten Sinn zu wirken, leistet der Presserat der Vorurteilsbildung erst recht Vorschub. Und fördert damit die übliche Verunglimpfung der Medien als "Lügenpresse".

Wie recht Herrmann damit hat, sei am Beispiel eines Artikels von Dienstag, Seite 17, nachgewiesen. Burgenländischer Totenschädel-Sammler erneut ausgerastet, hieß es dort, Und: Kaum kam der Burgenländer aus der Klinik, drehte er im Kokain-Rausch erneut durch.

Hätte sich die "Krone" in diesem Fall an die Empfehlung des Presserates gehalten, wäre sie den Ruf der Lügenpresse nie wieder losgeworden. Hätte sie doch durch das Verschweigen der gefährlichen Tatsache, dass es sich bei dem Totenschädel-Sammler um einen Burgenländer handelt, der Vorurteilsbildung Vorschub geleistet, das Sammeln von Totenschädeln sei womöglich eine allgemein menschliche Leidenschaft, die in keinem Zusammenhang zur pannonischen Landschaft stehe, sondern ebenso gut in Kärnten oder Tirol vorkommen könnte. Dadurch, dass sich die "Krone" weigert, dem Verlangen des Presserates, alles durch die rosarote Brille zu sehen, nachzugeben, hält sie das Panier verantwortungsvoller Berichterstattung mutig hoch – anders als viele andere Blätter. So lassen wir uns auch nicht vom obersten Verfassungsschützer beeindrucken, der gerade meinte, dass die Berichterstattung und laufende öffentliche Diskussion die Sache anheizen.

So mutig wünschen sich Leserin und Leser ihre Journalisten! Weder lassen wir uns die rosarote Brille auf die Nase picken, um so zu tun, als würden uns Burgenländer keine Probleme im Land verursachen. Genauso wenig lassen wir uns aber schwarzmalerisch "Lügenpresse" schimpfen, die die Wahrheit verheimliche. Ebenso klar würde sich die "Krone" selbstverständlich äußern, wenn es sich bei dem Totenkopf-Sammler im Kokain-Rausch um einen Asylanten handelte.

Zurück aus der Klausur, gestand Dompfarrer Toni Faber in der "Presse": "Ich bekomme vieles geschenkt, weil ich Kleidungs- und Schuhgeschäfte eröffne und segne." Logische Folge: "Dafür kann ich jetzt alles, was ich mir leisten kann, so genießen, als hätte ich es nicht." Ein Mystiker! (Günter Traxler, 12.2.2016)