Aufmarsch in Blau-Weiß mit Kreuz: Landwirte ziehen in Athen am Freitag auf die Straßen, um die Pensionsreform zu Fall zu bringen.

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Bauern blockierten am Freitag auch die Autobahn von der Athener Innenstadt zum Flughafen. Landesweit wurden an die 130 Straßensperren gezählt.

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Die ersten kamen morgens mit der Fähre von Kreta. Bärtige Herrschaften in dunklen Leder- oder Militärjacken und bewaffnet mit Hirtenstäben, womöglich gar von der Hochebene, wo mit dem stolzen Männervolk ohnehin nicht gut Kirschen essen ist. Wenige Stunden später jagten die Kreter bereits Polizisten in der Athener Innenstadt vor sich her. Erst nach und nach riegelten die Beamten die Straßen um das Landwirtschaftsministerium ab, wo Scheiben eingeworfen und Brände auf dem Trottoir gelegt wurden. Derweil rollten Hunderte von Traktoren auf Athen zu. Alles der Pensionsreform wegen, der Steuererhöhungen und der Abschaffung von Privilegien, die Griechenlands Landwirte auch nach sechs Jahren Finanzkrise noch genossen.

Die linksgeführte Regierung von Premier Alexis Tsipras wagte unter dem Druck der Geldgeber als erste, auch den Bauern Opfer abzuverlangen. Deren Beiträge zur Pensionskasse sollen massiv von sieben auf 20 Prozent steigen. Die Einkommenssteuer von bisher nur 13 Prozent würde verdoppelt werden – das geschah immerhin vor zwei Jahren bereits einmal. Auch der Rabatt auf Treibstoff wird endgültig gestrichen.

130 Blockaden

Tsipras und sein Sozialminister Giorgos Katrougalos hatten die Landwirte bisher vergeblich zu Verhandlungen eingeladen. Die Polizei versuchte am Freitag auf Geheiß der Regierung die Traktoren von der Fahrt in die Athener Innenstadt abzuhalten. Seit Wochen blockieren Bauern aber schon die Straßen und Grenzübergänge in Griechenland. An die 130 Blockaden wurden gezählt, darunter auch auf der Hauptverkehrsroute zwischen Thessaloniki und Athen. Auto- und Lastwagenfahrer müssen Umwege mit enormen Staus in Kauf nehmen.

Die wütenden Bauern wollen nun das Wochenende über in Athen ausharren und haben nur ein Ziel: die Regierung in die Knie zu zwingen. Auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament sind am Freitag viele ambulante Grillstände aufgebaut worden, Maiskolben und griechische Fahnen werden verkauft. Die "Protest-Wirtschaft" boomt. Die Straßen zwischen Omonia- und Syntagma-Platz leerten sich zum Nachmittag bereits in Erwartung gewalttätiger Zusammenstöße. Polizei in Kampfmonitor war überall um den Platz postiert.

In die Zange genommen

Die Regierung Tsipras wird dabei von zwei Seiten in die Zange genommen: auf der einen von den Landwirten und den vielen anderen Gegnern der Pensionsreform; auf der anderen Seite von den Kreditgebern, denen die Einsparungen durch die Reform nicht reichen. Mit dem Abschluss der ersten Überprüfung der Sparpolitik der Regierung haben es die Geldgeber der Eurozone offensichtlich nicht eilig. Wenn alles glatt geht, könnte es bis Mitte März, zu Ostern in Westeuropa, dauern, ließ die EU-Kommission wissen. Finanzminister Euklid Tsakalotos hatte auf nächste Woche gehofft. Ohne – positives – Urteil der Kreditgeber bleibt das Land politisch und wirtschaftlich in der Schwebe.

Mit Bitterkeit hat die griechische Regierung eine Stellungnahme von Poul Thomsen, der Direktor der Europa-Abteilungs des Internationalen Währungsfonds, zu Kenntnis genommen. Griechenland müsse noch Einsparungen in Höhe von 4 bis 5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung tätigen, um 2018 das vereinbarte Ziel eines Primärüerschusses von 3,5 Prozent zu erreichen, schrieb Thomsen in einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag in einem Blog des IWF: "Wir können nicht erkennen, wie Griechenland das ohne große Einsparungen bei den Pensionen schaffen kann." Die Pensionen in Griechenland seien immer noch zu hoch, behauptet Thomsen, sie hätten das Niveau von Deutschland, das ja nun wirtschaftlich stärker sei.

Plädoyer für Schuldenerleichterung

Gleichzeitig warb der IWF-Vertreter aber vehement für eine neuerliche Schuldenerleichterung, wie sie die Regierung Tsipras fordert. Griechenland könne noch produktiver werden und weiter sparen, doch die vergangenen sechs Krisenjahren hätten gezeigt: All das reicht nicht, um aus dem Schuldenproblem einfach "hinauszuwachsen". Das Land brauche auch die Schuldenerleichterung. (Markus Bernath aus Athen, 12.2.2016)