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"Der Präsident überlegt, die Minister zittern", brachte "Le Monde" die Atmosphäre im Élysée-Palast auf den Punkt.

Foto: REUTERS/Philippe Wojazer

Frankreich ist eben doch eine Monarchie – eine Wahlmonarchie. Einen neuen Beleg lieferten diese Woche die Regierungsumbildung und die Verfassungsreform. Für beides gäbe es gute Gründe. Wirtschaftlich bewegt sich Frankreich langsam, wenn überhaupt. Die Staatsschuld nähert sich der 100-Prozent-Schwelle, die Arbeitslosigkeit erreicht Rekordwerte; von der sozialen Malaise, das daraus resultiert, profitiert der rechtspopulistische Front National.

Gegen den Abwärtstrend würde eine verstärkte Regierung helfen. Das geltende Ausnahmerecht seit den Anschlägen von November in einen Rechtsrahmen zu überführen wäre ebenfalls sinnvoll – es würde nächtliche Razzien nicht nur legitimieren, sondern auf die Dauer auch effizienter machen.

Der persönliche Vorteil zählt

Sowohl die Regierungsumbildung als auch die Verfassungsrevision haben aber ein anderes Ziel: Sie sollen François Hollandes Chancen bei den Präsidentschaftswahlen 2017 erhöhen. Zu diesem Zweck versucht der im Umfrageloch steckende Präsident, sich ein Hardliner-Image zu verpassen. Er verlängert den Ausnahmezustand und will Terroristen die Staatszugehörigkeit aberkennen. Das würde wohl keinen Selbstmordattentäter abhalten; es verärgert aber viele Parteifreunde und führte auch zum Rücktritt von Justizministerin Christiane Taubira.

Um auch den linken Flügel seiner Partei bei der Stange zu halten, bildet Hollande nun die Regierung um und holt die 2014 abgesprungenen Grünen wieder an Bord. Französische Medien kritisieren dies alles nicht: Sie kennen nichts anderes. Le Monde beschrieb den Regierungswechsel wie einen Vorgang zu Hofe, wo der König in seinem Palast treue Diener schasst und neue an die Stelle setzt: "Der Präsident überlegt, die Minister zittern." Ebenfalls im Alleingang berief Hollande diese Woche Außenminister Laurent Fabius zum (immerhin neun Jahre lang amtierenden) Präsidenten des Verfassungsgerichts.

Hollande ist keineswegs der Einzige, der sich im vierten seiner fünf Amtsjahre nur um die nächste Präsidentschaftswahl kümmert. Es ist eine Spielart des französischen Individualismus, dass die Politiker ihren Karriereplan derart über das Allgemeinwohl stellen können. Die hohe Kunst des Politisierens besteht in Paris darin, die Bürger zu überzeugen, dass man für das Wohl der Nation handelt, wenn man seine Wiederwahl verfolgt. Wenn aber – wie das seit dem Ende der De-Gaulle-Ära in wachsendem Maße der Fall ist – nur wahltaktisch relevante Entscheidungen fallen, bewegt sich im Land gar nichts. Frankreich steht dann schlicht still. (Stefan Brändle aus Paris, 13.2.2016)