Fischen nach Argumenten für und gegen Bargeld: Transparente Geldflüsse versus "gedruckte Freiheit".

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Wien – Die mögliche Abschaffung von Geldscheinen und Münzen polarisiert. Nicht erst seit Deutsche-Bank-Chef John Cryan sich auf dem heurigen Weltwirtschaftsgipfel in Davos dafür ausgesprochen hat, um die Herstellungskosten zu sparen und Geldwäschern, Steuerhinterziehern und Terroristen ins Handwerk zu pfuschen oder seit in Deutschland aus gleichen Gründen eine 5000-Euro-Obergrenze bei Bargeld diskutiert wird.

Große Handelsketten sehen zunehmend Vorteile in einer bargeldlosen (Kauf-)Welt, geschaffen durch Einführung kontaktloser Bezahlsysteme, die Warteschlangen an Kassen – und den einen oder anderen Kassamitarbeiter – überflüssig machen sollen.

Für den Wirtschaftspsychologen Erich Kirchler von Universität Wien sind viele der genannten Gründe zwar durchaus nachvollziehbar. Es sei erwiesen, dass mit zunehmender Bargeldmenge in einem Staat Korruption und Schwarzgeld steigen. "Um Kosten für Herstellung, Sicherheit und Transport zu sparen und die Kriminalität einzudämmen, ist Bargeldabschaffung durchaus zu befürworten", sagt er zum STANDARD.

Kehrseite der Medaille

Doch es gebe auch eine Kehrseite der Medaille: "Zahlen mit Karten macht den Geldfluss wesentlich abstrakter und ist auch der Grund für Verschuldung, besonders für Menschen mit geringerer Bildung." Denn wenn man bargeldlos zahle, seien die Kosten eines Kaufs nicht mehr "wertattribuierbar": Die "Belohnung" für den Kauf erfolge zwar sofort, die nicht fühlbare Bezahlung führe aber letztlich bei vielen zu einem Kontrollverlust über Ausgaben.

Zudem sei Bargeld eine große Hilfe für Kinder und Jugendliche, Wirtschaft zu begreifen. Von Angebot und Nachfrage und dem Entstehen von Preisen bis hin zum Gewinn und Verlust. Wenn man Bargeld abschaffen wolle, muss man sich aus Sicht des Psychologen ergo auch Alternativen für solche Fragen überlegen.

In vielen skandinavischen Ländern ist das alles längst kein Thema mehr. In Schweden wurde beispielsweise 2015 nur noch jede fünfte finanzielle Transaktion von Konsumenten in bar abgewickelt, weltweit sind es im Schnitt 75 Prozent. Transparenz hat in dem Land, in dem vor 355 Jahren die ersten offiziellen Banknoten ausgegeben wurden (jedoch mangels Vertrauens mit mäßigem Erfolg), einen hohen Stellenwert, stellt Kirchler fest. "In Ländern wie Österreich und Deutschland besteht bei den Menschen die Sorge, dass Autoritäten ihre Macht zu mehr Kontrolle des Einzelnen ausnutzen – wie es die Geschichte ja schon gezeigt hat."

Geld als gedruckte Freiheit

Bestätigt wird er darin von Barbara Kolm, Präsidentin des Hayek-Instituts, die in einer Aussendung am Freitag Fjodor Dostojewski zitiert: "Geld ist gedruckte Freiheit." Die neoliberale Ökonomin gibt zu bedenken, dass ohne Bargeld "theoretisch jeder quasi per Knopfdruck zahlungsunfähig gemacht werden" könne und ergänzt: "Gerne wollen wir glauben, dass der österreichische Staat ein selbstloses, unendlich wohlwollendes Gebilde ist, aber allein die theoretische Möglichkeit von staatlicher Willkür muss ausgeschlossen sein."

Doch davon scheint in diesem Fall ohnehin niemand zu sprechen. Die aktuelle Aufregung drehte sich am Freitag weniger um das mögliche Verschwinden von Münzen und Scheinen, sondern um die Frage: "Wer schützt es wie am besten?" Wie berichtet will ÖVP-Klubmann Reinhold Lopatka das Recht auf Bargeld in die Verfassung schreiben lassen, wofür sich auch die FPÖ in Person ihres Generalsekretärs Herbert Kickl erwärmen lassen könnte. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer sieht "keine Notwendigkeit" dafür, da keiner Bargeld abschaffen wolle. Ganz ähnlich Neos-Sprecher Nikolaus Scherak, der sich fragt: "Was soll man da reinschreiben?"

Commerzbank-Chef Martin Blessing hält Überlegungen über die Begrenzung von Bargeld indessen für eine Phantomdebatte: "Es wird Bargeld geben – und in welcher Scheingröße, muss am Ende die EZB entscheiden, aber davon wird die Welt nicht untergehen", meldete sich der deutsche Banker zu Wort. (kat, go, 14.2.2016)