München – Die westlichen Sanktionen gegen Russland werden nach Angaben von US-Außenminister John Kerry erst aufgehoben, wenn das Minsker Abkommen für die Ostukraine vollständig umgesetzt ist. Kerry forderte Russland am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz auf, seine Zusagen einzuhalten.

Zuvor hatten sich der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko auf der Konferenz gegenseitig die Schuld gegeben, dass man bei der Umsetzung des Abkommens vom Februar 2015 nicht weitergekommen sei.

"Zuversichtlich"

"Ich bin zuversichtlich, dass die USA und Europa gemeinsam die Sanktionen weiter aufrechterhalten werden, solange es nötig ist", sagte Kerry. Sanktionen seien kein Selbstzweck, sondern daran gebunden, dass die Konfliktparteien Zusagen einhielten. Dies bedeute etwa die Freilassung aller Geiseln durch die prorussischen Separatisten in der Ostukraine oder den Zugang der Ukraine zur ukrainischen-russischen Grenze. "Russland hat eine ganz einfache Wahl, Minsk ganz umzusetzen oder weiter mit Sanktionen leben zu müssen", sagte Kerry.

Die EU hatte ihre Wirtschaftssanktionen gegen Russland am 31. Jänner bis Ende Juli verlängert, was Medwedew in München kritisierte. Er wundere sich, dass nur Russland die Schuld für die mangelnden Fortschritte gegeben werde, obwohl die Ukraine selbst ihre Zusagen nicht einhalte. Die Regierung in Kiew habe weder die Verfassung geändert noch einen Sonderstatus für den Donbass eingeführt. Medwedew kündigte an, dass Russland weiter Konvois mit humanitären Hilfsgütern in den von den prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten schicken werde, um die Menschen dort zu versorgen.

"Demokratisches Potenzial"

Kerry räumte ein, dass auch die Ukraine liefern müsse. Man müsse aber anerkennen, dass das "demokratische Potenzial" in der Ukraine heute viel größer sei als vor zwei Jahren. Er hoffe, dass 2016 das Jahr werde, "in dem die Ukraine belegen kann, dass Reformen über Korruption siegen werden".

Der ukrainische Präsident Poroschenko kritisierte Russland scharf. "Das ist kein ukrainischer Bürgerkrieg, das ist Ihre Aggression", sagte Poroschenko in München an den russischen Staatschef Wladimir Putin gerichtet. "Es sind Ihre Soldaten, die mein Land besetzt haben", ergänzte er. "Über die Grenze kommen jeden einzelnen Tag russische Truppen, russische Waffen, russische Munition in mein Land.

Poroschenko warnte weiter vor einer Unterwanderung Europas durch russische Propaganda. Eine Gefahr für den Kontinent seien "alternative Werte", die von Moskau proklamiert würden. "Das alternative Europa hat einen Führer – und das ist Putin", sagte Poroschenko und fügte hinzu: "Es hat Bodentruppen – Parteien, die gegen Europa sind." All dies führe zu neuem Nationalismus und Fanatismus.

Die Sanktionen gegen Russland müssten aufrechterhalten werden, forderte Poroschenko. "Sanktionen sind keine Strafe, sie sind ein Mittel, um Russland am Verhandlungstisch zu halten. Es gibt kein anderes Mittel dafür." Einen Dialog mit Russland könne es nur geben, wenn Moskau seine Soldaten aus der Ostukraine und von der annektierten Krim abziehe und aufhöre, die Rebellen im Donbass mit Waffen zu unterstützen.

Der ukrainische Staatschef äußerte sich nach dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew in München. Dieser hatte die Beziehungen zwischen Moskau und Westeuropa zuvor als "neuen Kalten Krieg" bezeichnet. "Wir sind in eine neue Periode des Kalten Kriegs hineingeraten", sagte er und ergänzte: "Die Beziehungen zwischen Europäischer Union und Russland sind verdorben, in der Ukraine tobt ein Bürgerkrieg."

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier drängte die Kriegsparteien zum Handeln. "Ich setze darauf, dass in Kiew und Moskau allen Verantwortlichen klar ist, dass wir nicht mehr ewig Zeit haben für die Umsetzung des in Minsk Vereinbarten", sagte er nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Russland, der Ukraine und Frankreich am Rande der Konferenz. In deutschen Diplomatenkreisen hieß es, das nächste Treffen der Außenminister sollte spätestens Anfang März stattfinden.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sagte, er stimme Poroschenko zu. Die russische Regierung versuche, "einen Keil in die EU zu treiben und sie zu spalten". Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda bekräftigte die Forderung nach einer stärkeren Präsenz der NATO in den Staaten Osteuropas. "Unsere Sicherheit ist jetzt der wichtigste Punkt", sagte er.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite warf Russland einen "heißen Krieg" vor. Es gebe "offene russische Aggressionen" in der Ukraine und in Syrien. "Das ist alles andere als kalt, das ist jetzt schon heiß", sagte Grybauskaite. Der finnische Präsident Sauli Niinistö merkte an, dass Russland in jüngster Zeit an "allen Überraschungen immer irgendwie beteiligt" gewesen sei – "vom Süden in Syrien bis hoch in die Arktis". (APA/Reuters, 13.2.2016)