Die beiden Bauern Ioannis Tsapakis (li.), Konstantinos Vasilakis (re.) aus Kreta sind enttäuscht über Tsipras und die Nordeuropäer, die "Kapitalisten sind, die die Ernährung in Europa nun kontrollieren wollen".

Foto: Tina PTina Pfäffle

Drei Tage nahezu war das Athener Stadtzentrum um den Syntagma-Platz lahmgelegt. Die Bauern waren aus den Provinzen gekommen, mit Hirtenstäben waren sie auf die Polizei losgegangen, halbe Olivenbäume hatten sie mitgebracht und vor dem Parlament angezündet.

Auch wenn das Landvolk seine Proteste am Samstagabend in der Hauptstadt beendet hat, der Ärger und die Verzweiflung über die Verdoppelung und Verdreifachung von Steuern und Beiträgen, die ihren Berufsstand nun trifft, hält an. Wie ihre Verbände am Sonntagmorgen mitteilten, wollen sie ihren "Kampf" mit Straßenblockaden in den Provinzen fortsetzen.

Rede von Neuwahlen

Der Staat soll die neuen Maßnahmen "auf Null setzen", sagen Konstantinos Vasilakis und Ioannis Tsapakis, zwei Gemüsebauern aus Kreta, dann erst wären sie bereit zu Verhandlungen. "Wir können uns jetzt gerade so über Wasser halten", schimpfen zwei andere Kleinbauern, die Winzer Christos Athanasios und Vlassis Kapouralis. Sie waren aus Nemea, einem bekannten Weinbaugebiet im Nordosten des Peloponnes, nach Athen gekommen. Nur 7000 bis 8000 Euro im Jahr würden sie verdienen, so geben die beiden Männer an.

Alexis Tsipras fuhr am Samstag kurz nach zwölf Uhr mittags zu seinem Amtssitz, abgeriegelt von einer Hundertschaft von Polizisten. Er kam allein, und ein bisschen ist es symbolisch für die Lage, in der der linke Regierungschef steckt. Tsipras habe die Größe und Gewalt der Bauerndemonstration unterschätzt, schreiben die Oppositionszeitungen. 10.000 Menschen waren es am Freitagabend, mindestens noch einmal so viel am Samstag. Zimperlich sind protestierende Landwirte auch anderswo in Europa nicht. Aber die landesweiten Straßenblockaden und der scheinbar kompromisslose Widerstand vor allem gegen die Pensionsreform der Regierung bringen Tsipras stark unter Druck. So stark, dass schon wieder von Neuwahlen geredet wird.

Enttäuschung über Europa

Vasilakis und Tsapakis, die beiden Bauern mit den kugelrunden Bäuchen, die gemeinsam mit vielen anderen für das Protestwochende von Kreta in die Hauptstadt Athen angereist waren, sind enttäuscht. Enttäuscht von Tsipras, der doch so viel Anderes versprochen hat. Und von diesem Europa, wo die im Norden alles diktieren. "Die Nordeuropäer sind die Kapitalisten, die die Ernährung in Europa nun kontrollieren wollen", sagt Vasilakis. Bauern wie er würden gedrängt, genmanipuliertes Saatgut aus der EU zu kaufen, behauptet der 52-Jährige. Die Höfe von Vasilakis und Tsapakis liegen in Ierapetra, am Südostzipfel von Kreta. Sie sind kleine Landwirte, bauen Gemüse und Oliven an. Um die 500 Liter Öl produzieren sie im Jahr für drei Euro den Liter. Reich wird man dabei nicht.

Zweifel an sozialer Gerechtigkeit der Reformpläne

Der große Umbau der Pensionsversicherung, von Griechenlands Geldgebern angeordnet und von Tsipras' Links-Rechts-Koalition nun vorgelegt, soll sozial gerecht sein. Damit wirbt die Regierung. Jeder soll zum Beispiel künftig einen Beitrag von 20 Prozent seines Einkommens in die Pensionskasse einzahlen. Selbständige trifft das härter als Arbeitnehmer, und für Griechenlands Bauern ist der Anstieg besonders hoch: Statt sieben Prozent ihres Einkommens wie bisher sollen es nun eben 20 werden.

Auch die Privilegien bei der Einkommenssteuer werden den Bauern weggenommen. 13 Prozent müssen sie seit 2013 zahlen und dies auch nur auf Druck der Kreditgeber. Ab 2017 wird es doppelt so viel. Der 40-Prozent-Rabatt auf Dieseltreibstoff fällt nun ebenfalls schrittweise. "Wie sollen wir da noch produzieren?", fragen Vasilakis und sein Freund der 48-jährige Ioannis Tsapakis. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Die staatlichen Subventionen seien nie kontrolliert worden, sagen sie, auch die Bauern hätten an der allgemeinen Korruption mitverdient. Die Gewerkschaft der Landwirte wollen sie davon gar nicht ausnehmen. Doch Tsipras' Sparmaßnahmen gehen den beiden Kretern entschieden zu weit. (Markus Bernath aus Athen, 14.2.2016)