Unternehmen können aus einem Pool an Arbeitslosen wählen. Schweißer war vor einigen Jahren noch ein Mangelberuf, jetzt gibt es in diesem Bereich doppelt so viele Arbeitssuchende wie Stellen.

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Der Dreher ist ein äußerst gefragter Mensch in Österreich. Er fertigt zum Beispiel Kolben an, eben auf einer Drehbank oder per Maschine. Das alleine macht ihn aber noch nicht zu etwas Besonderem. Der Dreher gehört zu einem der wenigen Berufe, für die es beim AMS mehr offene Stellen gibt als Arbeitslose. Aber auch die Nachfrage am Jobmarkt hält sich in Grenzen, um die 400 Dreher wurden in Österreich im Jänner gesucht.

Zu einer zentralen Figur macht ihn nicht der Jobmarkt, sondern Wirtschaftsvertreter. Immer dann, wenn es um den Fachkräftemangel geht, wird er von Industrie und Wirtschaftskammer ins Spiel gebracht. Der Dreher ist mehr als ein Beruf, er ist Sinnbild dafür, dass die Ausbildung der Österreicher nicht zu dem passt, was Firmen brauchen.

Unternehmen neigen dazu, 25-Jährige mit zehn Jahren Berufserfahrung, zwei Jahren Praxis im Ausland und den perfekten Qualifikationen für eine gerade nötige Arbeit zu suchen, sagt der IHS-Ökonom Helmut Hofer. "Wenn sie den nicht finden, dann jammern sie halt." Ist der Dreher also nur eine Ausnahme? Der Fachkräftemangel eine Einbildung von zu anspruchsvollen Personalchefs? Eine Antwort darauf zu finden ist gar nicht so einfach.

AMS-Stellen schnell vergeben

Zuallererst lohnt ein Blick auf die Statistiken des Arbeitsmarktservice. Denn immerhin vier von zehn offenen Stellen, die in Österreich besetzt werden, laufen über das AMS. Im Vorjahr wurden 345.000 Jobs dort gemeldet. 99,5 Prozent der Stellen wurden in weniger als sechs Monaten besetzt. Im Schnitt wurde eine Stelle innerhalb von 23 Tagen besetzt. Das geht deutlich schneller als in der Vergangenheit. Wer beim AMS nach passenden Arbeitskräften sucht, scheint derzeit also relativ rasch fündig zu werden.

Hochqualifizierte Jobs werden dort aber kaum ausgeschrieben. Die Statistik Austria führt eine Erhebung zum Thema durch, aus ihr lasse sich aber nicht schließen, wie viele Stellen nicht besetzt werden, sagt der zuständige Statistiker Jörg Löschnauer. Der Trend ist aber interessant: Nur mehr 23 Prozent der Stellen waren das ganze Jahr über ausgeschrieben, noch vor zwei Jahren lag die Quote bei 27 Prozent.

Ein Hinweis darauf, dass es für Unternehmen einfacher wird, Arbeitskräfte zu finden. Nichts anderes sei zu erwarten, wenn sie aus einem großen Pool an Arbeitslosen auswählen könnten, sagt Helmut Mahringer vom Wifo. Die Liste an Jobs, für die es mehr gemeldete offene Stellen als dafür ausgebildete Arbeitslose gibt, ist zuletzt ebenfalls stark geschrumpft.

Techniker gesucht

Es wird für Firmen derzeit also einfacher, passende Leute zu finden. Der Fachkräftemangel ist aber trotzdem kein Mythos, sagt Peter Koren, Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung. Es werde händeringend nach Mint-Absolventen gesucht, eine Abkürzung für die Studien Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Rund 1.000 solche Leute könnte die Industrie in Österreich sofort aufnehmen. Eigentlich deutlich mehr, denn viele HTL-Absolventen würden bereits Jobs übernehmen, die eigentlich für Akademiker vorgesehen seien.

Aber auch regional gibt es große Unterschiede. Das zeigt sich schon alleine an der Arbeitslosigkeit, die im Osten des Landes deutlich höher ist als im Westen. Dort klagen auch deutlich mehr Unternehmen über mangelnde Fachkräfte, wie eine Erhebung der KMU Forschung Austria zeigt. Auch am Beruf des Drehers lässt sich das veranschaulichen. In Wien gibt es neun Mal so viele arbeitslose Dreher wie offene Stellen. In Vorarlberg und Tirol gibt es fast doppelt so viele Stellen für Dreher als Arbeitslose. Auch im Tourismus ist der Bedarf im Westen wesentlich größer. Dort springen auch immer mehr Ausländer ein. Mittlerweile machen sie die Hälfte der Tourismusjobs.

Langzeitarbeitslose als Problem

Die Zuwanderung hat es Firmen deutlich erleichtert, passende Arbeitskräfte zu finden, sagt Helmut Hofer vom IHS. Die Qualifikation von Arbeitslosen würde nämlich oft nicht zu dem passen, was Unternehmen suchen. "Wenig qualifizierte Langzeitjoblose werden zunehmend ein Problem."

20.000 Menschen macht das AMS jedes Jahr zu Fachkräften, sagt Vorstand Johannes Kopf. Viel einfacher wäre es, wenn praktisch niemand mehr ohne Lehre oder Matura die Schule verlasse. Die von der Regierung eingeführte Ausbildungspflicht sei deshalb der richtige Weg. Gutqualifizierte würden nicht nur offene Stellen füllen, sondern selbst neue schaffen: "Wer von einem Tischler begeistert ist, der einen Kasten baut, denkt vielleicht, der könnte auch noch ein Gewürzregal machen." (Andreas Sator, 17.2.2016)