Sofia/Ankara/Athen – Der Abschuss der russischen Militärmaschine im türkisch-syrischen Grenzgebiet im November vergangenen Jahres zieht mittlerweile politische Folgen in der ganz entgegengesetzten Richtung auf der Karte nach sich: Die Bulgaren sind zunehmend genervt über das Auftreten ihrer Nachbarn. Die Ausweisung eines Attachés des türkischen Konsulats in Burgas gilt als das jüngste Kapitel in dem Hickhack um die versuchte Einflussnahme der türkischen Führung bei den Bulgaren.

Das Außenministerium in Sofia, so wurde am vergangenen Wochenende bekannt, erklärte den türkischen Attaché zur Persona non grata, wollte die Entscheidung aber nicht kommentieren. Bulgarischen Medienberichten zufolge soll sich Uğur Emiroğlu, offiziell Attaché für soziale Fragen am Konsulat in der Schwarzmeerstadt Burgas, zu viel um seine muslimischen Glaubensbrüder in Bulgarien gekümmert haben.

Verstoß gegen Konvention

So mietete der türkische Diplomat angeblich ein Haus in Schumen, einer anderen bulgarischen Provinzstadt weiter im Westen, an und gab dort Religionsunterricht; Emiroğlu ist auch Imam. Für das Außenamt in Sofia ist das ein Verstoß gegen das Diplomatenrecht, wie es im Wiener Übereinkommen von 1961 festgelegt ist.

Begonnen haben die Verstimmungen zwischen Sofia und Ankara mit einem innerparteilichen Krach bei der DPS, der einflussreichen Geschäftsleutepartei Bewegung für Rechte und Freiheiten; sie nimmt für sich in Anspruch, die Interessen der türkischstämmigen Minderheit zu vertreten. Parteichef Lütfi Mestan hatte im Parlament den Abschuss der russischen Militärmaschine durch die türkische Armee gerechtfertigt. Dafür wurde er von Ahmet Dogan, dem Parteigründer, gerügt und Ende Dezember schließlich abgesetzt und ausgeschlossen.

500 Jahre Herrschaft

Dogans Motive sind nicht so klar. Der 61-Jährige gilt als die graue Eminenz der bulgarischen Politik. Naheliegend ist, dass Dogan den Eindruck vermeiden wollte, die DPS wäre türkeihörig. Denn kaum ein Thema lässt den Kesseldruck in der bulgarischen Innenpolitik so schnell ansteigen wie die Türkei. Die Wirtschaftsbeziehungen sind ausgezeichnet, Bulgariens ärmlicher Süden profitiert viel vom unternehmerischen Nachbarn, doch 500 Jahre osmanische Herrschaft sind eine Hypothek, die fortwirkt. Dogan und sein Parteifreund, der Oligarch Deljan Peewski, sollen nun mit einem Einreiseverbot in die Türkei belegt sein. Premier Boiko Borissow wiederum gab an, er sei von Ankara gedrängt worden, im Konflikt bei der DPS zu vermitteln. Den Wunsch wies er zurück. (Markus Bernath, 23.2.2016)