Sehr gut qualifizierte Mitarbeiter zu finden, fällt traditionellen Beratungshäusern immer schwerer.

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Altfrid Neugebauer von Horváth & Partners: "Auch Biologen oder Kunstabsolventen können gute Berater sein."

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STANDARD: Sie wollen "die Besten". Gehen die nicht eher zu McKinsey oder der Boston Consulting Group?

Neugebauer: Klar, die von Ihnen genannten sind natürlich internationale Brands, die eine hohe Attraktivität für Absolventen haben. Mit ihnen zu konkurrieren, fällt nicht leicht. Aus meiner Erfahrung ist für potenzielle Bewerber aber auch der "way of consulting" ausschlaggebend, der bei uns sicher ein anderer ist.

STANDARD: Auf Ihrer Karriereseite steht: "Die Arbeit in einer Beratung ist immer auch sehr zeitintensiv." Wie zeitintensiv ist denn eine Arbeitswoche bei Ihnen? Neugebauer: Dass der Berufseinstieg in eine Beratung generell aufwändiger ist als der in manch andere Unternehmen stimmt. Aber die oft genannte 80-Stunden-Woche ist bei uns nicht Realität. Die meisten unserer Berater arbeiten in etwa zehn Stunden pro Tag. Es gibt natürlich arbeitsintensivere Situationen. Wenn ein Geschäftsführer beispielsweise dringend nach Ergebnissen verlangt, kann es auch länger werden. Nicht zu vergessen ist natürlich der Reiseaufwand, wenn jemand den Projektstandort wechselt.

STANDARD: Wer nach einem Acht-Stunden-Tag geht, wird also jedenfalls schief angeschaut?

Neugebauer: Das geht schlichtweg wegen des Arbeitsaufwandes nicht. Ausnahmen sind natürlich Familienfeiern oder Ähnliches. Ansonsten ist es einfach nicht drin.

STANDARD: Vergraulen Sie damit nicht die sogenannte Generation Y, die laut Studien immer mehr Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legt?

Neugebauer: Absolventen, die sich bei einer Beratung bewerben, wissen grundsätzlich, was sie dort erwartet. Also dass sie dort in bestimmten Situationen auch einmal mehr als 40 Stunden arbeiten müssen. Wenn ein junger Mensch sagt: Mir ist es wichtig, um 17 Uhr nach Hause zu gehen, wird er sich anderswo einen Job suchen.

STANDARD: Damit kommen Ihnen aber auch viele Talente abhanden.

Neugebauer: Das ist richtig. Wir haben dasselbe Problem wie alle anderen Beratungen auch: Wir haben weniger geeignete Bewerber als noch vor einiger Zeit, weil sie am Arbeitsmarkt seltener zu finden sind. Unsere Aufgabe wird es daher künftig sein, noch stärker mit Hochschulen zusammenzuarbeiten und Studenten früh an uns zu binden. Außerdem dürfen wir nicht mehr nur die klassischen Profile anschauen, heißt: nicht mehr den Fokus auf Absolventen mit Wirtschafts-, Informatik- oder Ingenieur-Studien legen. Auch Biologen oder Kunstabsolventen können gute Berater sein.

STANDARD: Sie können bei Ihnen also auch einen Job bekommen?

Neugebauer: Wenn sie die nötigen Eigenschaften mitbringen, ja. Klar ist aber, dass sie nicht den betriebswirtschaftlichen Background haben, daher müssen wir mehr Zeit dafür aufwenden, sie für ihren Job auszubilden und an das Thema heranzuführen.

STANDARD: Die Digitalisierung ist derzeit ja großes Thema, branchenübergreifend. Sehen Sie sich mit anderen Unternehmen im Wettbewerb um Talente, die diese Entwicklung verstehen und vorantreiben können?

Neugebauer: Bisher haben wir noch keinen Engpass festgestellt. Dieses Jahr haben wir beispielsweise in München vier vakante Stellen für sogenannte Quantitative Business Modeler ausgeschrieben. Die konnten wir auch recht zügig besetzen, mit promovierten Mathematikern, Physikern und Informatikern.

STANDARD: Bringen sie denn die traditionellen Beratereigenschaften mit – Extrovertiertheit, soziale Kompetenz?

Neugebauer: Ja, absolut. Ich war überrascht. Den oft zitierten "Nerd mit Dreadlocks" habe ich in den Vorstellungsgesprächen nicht getroffen. Die Mitarbeiter, die wir gewinnen konnten, sind eine absolute Bereicherung, weil sie völlig andere Erfahrungen mitbringen und Probleme lösen, die der "normale" Berater nicht lösen kann.

STANDARD: Wir haben über die Herausforderungen gesprochen, gute Leute zu finden – wie schwer oder leicht ist es denn, sie auch zu halten? Laut aktuellem Consulting-Monitor, einer Studie der Personalberatung Odgers Berndtson, sagt fast die Hälfte der dazu befragten Berater, dass ein Wechsel für sie wahrscheinlicher geworden ist.

Neugebauer: Es gibt ja auch Beratungen, die darauf setzen, dass Mitarbeiter nach einer gewissen Zeit wieder gehen, damit Kontakte zur Wirtschaft entstehen. Das nennt sich "up or out". Wir machen das bewusst nicht, wir wollen unsere Leute ausbilden und sie dann auch möglichst lange bei uns halten. Natürlich gibt es bei uns trotzdem eine gewisse Fluktuation. Die lag im letzten Jahr aber unter zehn Prozent, im Gegensatz zu den durchschnittlichen 15 Prozent bei Beratungen. Bei uns wechseln Mitarbeiter auch fast nie in andere Beratungen.

STANDARD: Wo gehen sie hin? Laut Studie wird für Berater auch die Freiberuflichkeit attraktiver.

Neugebauer: Viele gehen in die Industrie. Einige entscheiden sich tatsächlich aber auch für die Freiberuflichkeit, um privat flexibler zu sein. Das Modell ist ja nicht unattraktiv, weil die Verdienstmöglichkeiten gut sind, wenn man einmal etabliert ist. Auch wir arbeiten mit Freelancern zusammen, sie unterstützen unsere Mitarbeiter, wenn viel zu tun ist.

STANDARD: Stichwort Mitarbeiter: Von Ihren 480 Beratern sind nur etwa hundert Frauen.

Neugebauer: Und das ist schade, denn Frauen haben oft noch mehr soziale Kompetenz als wir Männer. Sie sind ehrgeizig und können gut mit Konflikten umgehen, das ist sehr wertvoll. Unter unseren Neuanstellungen waren im letzten Jahr 30 Prozent Frauen.

STANDARD: Auf Projektleiter-Ebene sind es dann aber nur mehr 15 Prozent, im Partnerkreis ist es nur noch eine Frau und im Vorstand keine mehr. Woran liegt das?

Neugebauer: Das liegt auch am vielen Reisen, das sich nur schwer mit der Rolle der Mutter vereinbaren lässt. Wir haben in der Vergangenheit viele gute Mitarbeiterinnen verloren, weil der Einstieg in die Familienplanung oft den Ausstieg aus der Beratung bedeutet hat.

STANDARD: Wie wollen Sie das ändern? Neugebauer: Wir bauen das Angebot für einen Einsatz von Beratern an ihrem Heimatort aus, und die Modelle für Teilzeitarbeit. Diese Angebote richten sich übrigens aber dezidiert auch an männliche Kollegen. (Lisa Breit, 3.3.2015)