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Auch am Freitag schmuggelten Oppositionelle wie seit Monaten das Tränengas in kleinen Plastikflaschen direkt am Körper in das Parlament

Foto: AP / Visar Kryeziu

Prishtina/Sarajevo – Sniper wurden auf den Häusern rund um das Parlament postiert. Anlässlich der Wahl des kosovarischen Staatspräsidenten wurden die Sicherheitsmaßnahmen am Freitag in der Hauptstadt Prishtina verschärft; denn die Opposition mobilisierte ihre Anhänger gegen die Wahl von Hashim Thaçi. Polizei mit Schutzschilden hielt die Demonstranten davon ab, ins Parlament einzudringen.

Als zweiter Kandidat wurde – pro forma – Rafet Rama aufgestellt. Weil zu erwarten war, dass die Opposition bei der Wahl Thaçis aus Protest das Parlament verlässt, hat die Regierung im Vorfeld sichergestellt, dass das notwendige Quorum von 80 der 120 Abgeordneten – also eine Zweidrittelmehrheit – zustande kommt.

Tränengastradition

Demokratie im Kosovo ist keine leichte Übung. Am Freitag wurde wieder ein Auto einer Ehefrau eines Ministers angezündet. Und gleich nach der Parlamentsdebatte am Nachmittag versprühten Oppositionelle wieder Tränengas, sodass der erste Durchgang der Wahl nicht stattfinden konnte. Der Einsatz von Tränengas im Parlament des Balkanstaates hat beinahe schon Tradition – seit Herbst boykottieren drei Parteien auf diese Weise jegliche Arbeit.

Die Parlamentarier schmuggeln das Tränengas in Gummiflaschen, die nicht mit Metalldetektoren ausfindig gemacht werden können, versteckt in der Unterwäsche – dort, wo man keine Leibesvisitation macht – in das Gebäude. So auch am Freitag.

Alte Machtkämpfe

Am Nachmittag rechnete man damit, dass der langjährige Premier und derzeitige Außenminister Thaçi – ein Ex-Kommandant der Befreiungsarmee UÇK und Protegé der USA, der sein Land 2008 in die Unabhängigkeit führte – drei Durchgänge brauchen würde, um gewählt zu werden. Denn beim dritten Durchgang reichen 61 Stimmen. Dass Thaçi Präsident werden wird, war Teil des Deals, den seine Partei PDK mit dem Koalitionspartner LDK ausgemacht hatte, um überhaupt die Regierung zu schmieden.

Für Thaçi geht es auch darum, sich aus dem innenpolitischen Hickhack herauszuziehen und in repräsentativer Manier seine Karriere weiterzuführen. Doch angesichts des massiven Widerstands der Opposition gegen seine Wahl ist er alles andere als ein Staatsmann, der den Kosovo eint. Seine Machtkämpfe mit einigen Oppositionsführern, die ebenfalls in der UÇK waren, gehen noch auf die Zeit des Kriegs 1999 zurück.

Verblasster Glanz

Thaçis Glanz ist lange verblasst. In den vergangenen Jahren hat er es nicht zustande gebracht, die tiefe politische und ökonomische Krise aufzuhalten, sondern das getan, was praktisch alle Balkan-Politiker tun: der eigenen Klientel Jobs und soziale Sicherheit zu verschaffen, ohne an das Gemeinwohl zu denken.

Die EU bastelt bereits an Plänen, wie nach der Präsidentschaftswahl vorgegangen werden soll, um wieder eine normale Parlamentsarbeit zu ermöglichen. Ohne Vermittlung der internationalen Gemeinschaft wird es wohl nicht gehen. Unklar ist aber noch das Format.

Neuwahlen im Herbst

Das Verfassungsgericht hat indes immerhin entschieden, dass das Abkommen mit Serbien nicht zu 100 Prozent dem Geist der Verfassung entspricht und deshalb verbessert werden soll. Wegen dieses Abkommens forderte die Opposition den Rücktritt der Regierung. Nun will sie aber keine Verbesserung, sondern Neuwahlen. Auch Diplomaten sprechen immer öfter davon, dass diese im Herbst stattfinden sollen.

Auch das Sondergericht für Kriegsverbrechen soll dann installiert sein. Es wird mit Spannung erwartet. Denn nicht nur einige Oppositionspolitiker könnten angeklagt werden – auch Thaçi selbst könnte es vielleicht treffen. (Adelheid Wölfl, 26.2.2016)