"Ich bin kein Freund dieser kleinteiligen Strukturen, die heute so trendig sind", sagt Sozialbau-Chef Herbert Ludl. Angebote wie Schwimmbäder sind erst ab einer gewissen Wohnungsanzahl realisierbar.

Foto: Sozialbau

"Integration, das ist eine Gratwanderung, eine besondere Mischung aus Software und Hardware, aus der Qualität der Betreuung und der Qualität der Architektur", sagt Herbert Ludl. Der Chef der Sozialbau AG hat mit dem "Globalen Hof" in Wien-Liesing im Jahr 2000 schon einmal ein international vielbeachtetes Integrationsprojekt realisiert.

Damals noch waren Migrantenanteile von 30 bis 50 Prozent in einer Wohnhausanlage eine Seltenheit. "Heute aber sind wir in einer europapolitischen Situation, die es erfordert, dass so ein Mix in Stadtverdichtungs- und Stadterweiterungsprojekten Selbstverständlichkeit ist."

Ort des Geschehens ist die Seestadt Aspern. Gemeinsam mit der Wien 3420 Aspern Development AG entwickelte die Sozialbau in der ersten Tranche 1.300 Wohnungen, von denen sie rund 700 selbst realisierte. Eines dieser Projekte ist das Wohnhaus in der Janis-Joplin-Promenade 6-8, errichtet nach Plänen von Peter Scheifinger. Die knallgelben, lichtdurchlässigen Terrassenstreifen am grau-weißen Haus sind schon von weitem sichtbar – das erste Bild, das Ankommende mit der U2 beim Einfahren in die Endstation erblicken.

Schwimmbad auf dem Dach

"Wir haben hier die billigste Bauweise, die man sich nur vorstellen kann, Stahlbeton und Vollwärmeschutz", sagt Scheifinger. "Doch dafür haben wir finanzielle Ressourcen mobilisieren können, mit denen wir nun ein Schwimmbad auf der Wiese und eines auf dem Dach realisieren konnten. Das mag sich zunächst nach einem überschwänglichen Luxus anhören. Aber gerade in einem so dichtbesiedelten Projekt wie hier, mit vielen Generationen und vielen sozialen und ethnischen Milieus unter einem Dach empfinden es viele Bewohner als Vorteil, eine Wahl zu haben und sich auch einmal zu kleineren Grüppchen zu formieren."

Möglich gemacht wurden die vielen Gemeinschaftseinrichtungen, weil ein Teil der Seestadt als sogenanntes kooperatives Verfahren abgewickelt wurde: Konkurrierende Wohnbauträger haben sich an einen Tisch zusammengesetzt und eine gemeinsame Lösung erarbeitet. Das blaue Nass ist nur ein Teil davon. Hinzu kommen Gemeinschaftswaschküchen, Kinderspielräume, Fitnessräume und sogar eine kurzfristig vermietbare Gästewohnung.

"Die Architektur ist wichtig, aber genauso bedeutend ist die Art und Weise, wie ich als Bauträger und Hausverwalter so eine große Wohnhausanlage betreue", meint Ludl. "Und so veranstalten wir hier Advent- und Sommerfeste, Fußballmatches und diverse Mietertreffen. Wenn bei so einem Zusammenkommen auch nur zwei Bewohner miteinander ins Gespräch kommen, die einander zuvor noch nicht gegrüßt haben, dann ist das bereits ein Erfolg."

Der rote Knopf verstaubt

Zur sozialen Software gehört auch ein Hausbetreuer direkt vor Ort. "Wir haben in jeder Stiege einen roten Knopf eingebaut, mit dem man sich direkt an den Hausbetreuer wenden kann, sobald man ein Anliegen hat. Aber wahrscheinlich war die Farbe Rot zu abschreckend, weil die Menschen damit nur Notfälle verbinden." Der Knopf ist längst verstaubt. Stattdessen habe jeder Bewohner die Mobilnummer des Hausbetreuers im Handy eingespeichert.

"Ich bin kein Freund von großen Plattensiedlungen, aber ich bin ehrlich gesagt auch ein kein Anhänger dieser kleinteiligen und superindividuellen Strukturen, die heute so trendig sind", sagt Herbert Ludl. "Tatsache ist: Wenn man den Bewohnern eine hohe soziale und bauliche Qualität bieten will, dann braucht man auch eine gewisse Manövriermasse. In der großen Menge sind außerordentliche Ansätze leichter realisierbar."

Vielfalt ist Arbeit

Der Erfolg liege jedoch nicht zuletzt daran, so Ludl, "dass wir darauf geachtet haben, ethnische Konzentrationen zu vermeiden und die Ureinwohner und die neu Hinzugezogenen möglichst vielfältig zusammenzuwürfeln. Diese Vielfalt bedarf einiges an Arbeit, aber sie sichert ein gutes, ausgeglichenes Miteinander." (Wojciech Czaja, 2.3.2016)