Prishtina – Der in der Vorwoche gewählte zukünftige kosovarische Präsident Hashim Thaçi genießt keine Immunität vor Kriegsverbrecher-Ermittlungen. Das sagte David Schwendiman, der Chefankläger des Sondertribunals für Kriegsverbrechen von Kosovo-Albanern während des Kosovo-Kriegs (1999–2000), laut Medienberichten vom Donnerstag. Thaçi war damals einer der Anführer der "Kosovo-Befreiungsarmee" UCK gewesen.

Es gebe keine Immunität für diejenigen, die das internationale humanitäre Recht verletzt hätten, sagte der US-Jurist, wollte allerdings keine Details zu den laufenden Ermittlungen nennen. Erste Anklagen dürften im September erhoben werden.

Mutmaßlicher Organhandel

Das Kosovo-Sondertribunal in Den Haag soll sich unter anderem mit dem mutmaßlichen Organhandel während des Krieges befassen, dessen die "Drenica-Gruppe" verdächtigt wird, deren Anführer Thaçi war. In einem dazu im Jahr 2010 angefertigten Bericht des damaligen Schweizer Europarats-Sonderermittlers Dick Marty wurde Thaçi allerdings nicht mit Organhandel in Verbindung gebracht, dafür aber einige seiner engsten Mitarbeiter.

Kosovarische Medien haben unterdessen errechnet, dass zwischen Jänner 1990 und Mai 2008 weltweit 67 Staats- und Regierungschefs wegen diverser Straftaten angeklagt wurden, fast die Hälfte von ihnen aus Südamerika, aber auch zehn in Europa. Der kosovarische Präsident würde entsprechend der Verfassung nur amtsgebundene Immunität genießen, erklärten Juristen in Prishtina.

In Oppositionskreisen war bereits spekuliert worden, dass sich Thaçi durch die Wahl zum Präsidenten Immunität vor einer Anklage vor dem Sondertribunal sichern wollte. Der bisherige Außenminister tritt sein Präsidentenamt am 7. April an. (APA, 3.3.3016)