Das Problem mit dem Frauentag ist die Wiederholung. Es ist der Tag, an dem global und national der Status quo der Gleichberechtigung in Erinnerung gerufen wird. Viel Neues bringen diese Betrachtungen rund um den 8. März meist nicht – sowohl bei den konkreten Zahlen als auch bei den Debatten über deren Gültigkeit und Aussagekraft, die verlässlich jeder neuen Erhebung folgen.

So ist etwa beim Thema Lohnschere alles beim Alten. Österreich wird damit ein besonders peinliches Zeugnis für seine Gleichstellungspolitik ausgestellt: Mit 22,9 Prozent liegt es auf dem vorletzten Platz in Europa. Trotzdem ruft diese Zahl bei den meisten keine besondere Aufregung mehr hervor, jene ausgenommen, die sie als Lüge oder mutwillige statistische Täuschung sehen wollen. Seit einem "Profil"-Cover im Jahr 2012, das den Gender-Pay-Gap als "Mythos" titulierte, kommt diese Reaktion besonders verlässlich nach jeder Erhebung mit kaum variierenden Zahlen.

Ein eindrückliches Bild

Doch dabei wäre es gerade bei den Zahlen zur Lohnschere wichtig, dass sie nicht zwischen Gleichgültigkeit und Paranoia vor feministischer Propaganda versickern. Denn es sind Zahlen, die enorm viel über den gesamtgesellschaftlichen Zustand der Gleichberechtigung aussagen. Stattdessen wird lieber darüber diskutiert, welche Bemessungsgrundlage Gültigkeit beanspruchen darf. Die erwähnten 22,9 Prozent (Bruttoverdienst, Vollzeitgehälter) kommen hinsichtlich ihrer Gültigkeit meist schlecht weg, sind bei ihnen doch noch nicht Berufssparte, Arbeitserfahrung und Qualifikation herausgerechnet. Werden diese Kriterien berücksichtigt, bleiben laut einer Wifo-Studie zwölf Prozent Gehaltsdifferenz, die anhand der vorhandenen Daten unerklärbar bleiben.

Viele nachvollziehbare Gründe gibt es hingegen bei den völlig unbereinigten 38 Prozent Gehaltsdifferenz, die nur selten als aussagekräftig gelten. Dabei sind es die unbereinigten Zahlen, die ein eindrückliches Bild zeichnen: Ersten sind es jene Zahlen, die schlicht und einfach darüber Auskunft geben, wie viel Frauen und Männer mit Lohnarbeit verdienen und mit wie viel Pension sie daher rechnen können (die Bruttopensionsbezüge liegen bei Frauen durchschnittlich bei 886 Euro im Monat, Männer erhalten 1.440 Euro).

Und zweitens erzählen diese 38 Prozent sehr viel über die Organisation unserer Gesellschaft entlang von Geschlecht; wer Hausarbeit leistet, Kinder, Alte oder Kranke betreut, kurz: wer unentgeltliche, aber notwendige gesellschaftliche Arbeit verrichtet. Außerdem versteckt sich in dieser Zahl die Information, dass es Berufe gibt, die je nach Männer- oder Frauenüberhang besser oder schlechter bezahlt werden. Sie subsumiert alle Kategorien, die sich ökonomisch zum Nachteil von Frauen niederschlagen.

Gründe können auch inakzeptabel sein

Dass in diesen 38 Prozent statistisch nachvollziehbare Gründe stecken, heißt nämlich noch lange nicht, dass sie akzeptabel sind. Denn: Fallen die unterschiedlichen Gehälter in technischen Branchen und im Pflegebereich etwa vom Himmel? Und ist es ein Naturgesetz, dass das Gros der Männer nach der Geburt eines Kindes das berufliche Engagement kaum ändert, während Mütter zu zwei Dritteln Teilzeit arbeiten?

Der oberflächliche Streit um die Gültigkeit bestimmter Zahlen sollte daher endlich einer ernsthaften politischen Debatte weichen. Es ist eine Frage der politischen Haltung, ob man die deutlich und vielfach belegte Reproduktion traditioneller Geschlechterverhältnisse als selbstgewählt und selbstverschuldet hinnimmt. Oder ob man in sie eingreifen will und nicht noch an vielen weiteren Frauentagen die ewiggleichen Zahlen hören will, inklusive der im Grunde zutiefst biologistischen Reaktion, das geringere Einkommen durch Lohnarbeit für Frauen habe "gute Gründe". (Beate Hausbichler, 8.3.2015)