Einmal mehr haben Terroristen aus Libyen den demokratischen Erfolgsstaat des Arabischen Frühlings ins Visier genommen. Bei einem über die Grenze geführten Angriff wurden Montag Dutzende getötet.

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Bereits Anfang März lieferte sich die Armee Gefechte mit Extremisten.

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Tunis/Madrid – Bei einem großangelegten Überfall in Südtunesien sind am Montag mindestens 50 Menschen getötet worden. Kurz nach fünf Uhr Früh griff ein bewaffnetes Kommando zeitgleich Kasernen der Polizei, der Nationalgarde und der Armee in Ben Guerdane nahe der Grenze zu Libyen mit Granatwerfern und Schnellfeuergewehren an.

Bei den anschließenden Feuergefechten, die sich bis in den Tag hinein hinzogen, wurden – so das Innenministerium in Tunis – 35 Terroristen und mehrere Zivilisten getötet, darunter ein zwölfjähriges Kind. Hinzu kommen – laut anderen Quellen – mindestens zehn Mitglieder der Sicherheitskräfte.

Armee aufmarschiert

Über die 60.000 Einwohner zählende Stadt, die eine halbe Autostunde von Libyen entfernt liegt, wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. "Die Armee ist in der Stadt aufmarschiert", versichert das Innenministerium. Hubschrauber überfliegen das Gebiet. Die Ausfallstraßen wurden ebenso gesperrt wie die Zufahrt zur nahegelegenen Urlaubsregion Djerba an der Mittelmeerküste.

Die Grenzregion zu Libyen befindet sich seit Monaten in Alarmbereitschaft. Immer wieder werden Waffenschmuggler dingfest gemacht. Vergangene Woche kam es unweit von Ben Guerdane zu einem Feuergefecht mit fünf bewaffneten Männern. Es waren Tunesier, die im Nachbarland militärisch ausgebildet worden waren.

Bisher ist nicht klar, zu welcher Gruppe die Angreifer vom Montag in Ben Guerdane gehören. Allerdings operiert im Gebiet auf der anderen Seite die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Insgesamt kämpfen 5000 bis 6000 Tunesier in den Reihen islamistischer Milizen im Ausland, davon rund die Hälfte in Libyen. Die Anschläge auf ein Urlaubshotel in Sousse, auf das Museum Bardo und auf die Präsidentengarde in Tunis sind alle in Libyen vorbereitet worden.

Im Visier der islamistischen Milizen

Tunesien – das einzige Land, in dem der Arabische Frühling zu einer echten Demokratisierung geführt hat – gerät immer mehr ins Visier der islamistischen Milizen. Mittlerweile wurde knapp die Hälfte der 500 Kilometer langen Grenze zu Libyen mit einem Schutzwall und einem Wassergraben gesichert.

Zusätzlich werden in den kommenden Monaten elektronische Warnsysteme aus den USA und Deutschland installiert. Die US-Luftwaffe bombardierte unlängst ein Ausbildungscamp in der libyschen Grenzregion. Dabei sollen 50 bis 60 IS-Kämpfer ihr Leben verloren haben, unter ihnen der Chef der tunesischen Einheiten.

Internationale Militärberater sollen künftig tunesische Soldaten ausbilden. Neben den Briten wird in diesem Rahmen wahrscheinlich auch die deutsche Bundeswehr im nordafrikanischen Land aktiv werden. (Reiner Wandler, 7.3.2016)