Carmen Willi ist als Bürgermeisterin nicht erwünscht, weil sie kleine Kinder hat.

Foto: Gemeinde Egg

Egg – Egg ist mit rund 3.500 Einwohnerinnen und Einwohnern die größte Gemeinde im Bregenzerwald. Seit 1. Februar ist das Dorf ohne Führung. Nach internen Querelen gab Theresia Handler (57), die Parteifreie auf der Einheitsliste, am 1. Februar auf. Seit 2012 war die engagierte Frau im Amt, im März 2015 wurde sie wiedergewählt. Sie war aber strategen aus der Volkspartei nicht mehr genehm. Es habe "Missstimmungen" und einen "Vertrauensverlust" innerhalb der Einheitsliste gegeben, begründete Handler ihren Rücktritt nobel.

Die Strategen der "Egger und Großdorfer Liste" suchten einen Nachfolger und fanden eine Nachfolgerin. Die 35-jährige Lehrerin Carmen Willi erklärte sich zur Kandidatur bereit. Am 4. März hätte die Gemeindevertretung die neue Bürgermeisterin wählen sollen. Willi machte am selben Tag einen Rückzieher, nannte anonyme Drohanrufe und Beschimpfungen als Grund. Inhalt derselben: Eine Mutter dreier kleiner Kinder habe sich um diese zu kümmern und dürfe nicht Bürgermeisterin werden.

Volkspartei startet Mentoring

Die Empörung Vorarlberger Feministinnen war groß, selbst die Frauensprecherin der Volkspartei meldete sich zu Wort. Martina Rüscher: "Werden junge Väter für Führungspositionen vorgeschlagen, fragt niemand, wie sie das wohl mit ihren Kindern vereinbaren werden. Carmen Willi hätte gemeinsam mit ihrem Mann einen guten Weg gefunden und wäre sicher eine ausgezeichnete Bürgermeisterin geworden." Wenn sich aber wie in Egg eine junge Frau und Mutter für eine Führungsposition in der Politik entscheide und dann sie und ihre ganze Familie anonym so stark angegriffen würden, dass sie diesen Mut wieder verliere, sei das nicht nur ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, sagt Rüscher.

Rüscher startet nun in der Vorarlberger Frauenbewegung ein Mentoring-Programm, um Frauen zur Übernahme politischer Funktionen zu ermutigen und zu stärken. Die Grünen Frauen nahmen den Frauentag zum Anlass für eine Solidaritätskundgebung vor dem Egger Gemeindeamt. Frauensprecherin Antje Wagner: "Es ist unglaublich, dass man im Jahr 2016 dafür kämpfen muss, als Mutter berufstätig zu sein und ein öffentliches Amt bekleiden zu dürfen." Das Beispiel Egg zeige, wie weit Gleichberechtigung und Gleichstellung voneinander entfernt seien.

Egg ist kein Einzelfall

Die Egger Borniertheit wird österreichweit wahrgenommen. Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, sieht die sexistischen Anfeindungen nicht als Einzelfall. Er verweist auf den geringen Anteil an Frauen im Bürgermeisteramt: 6,3 Prozent in Vorarlberg und weniger als sieben Prozent bundesweit. Pollak vermisst die Rückendeckung für Willi durch Landes- und Bundespolitik. (Jutta Berger, 8.3.2016)