Diabetes Typ 2 ist in mehrfacher Hinsicht problematisch für die Gesundheit, betont der Grazer Endokrinologe Harald Sourij.

Foto: Lukas Friesenbichler

Schladming – Typ-2-Diabetiker haben auch ein dramatisch gesteigertes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb ist der "Zucker" nur eines ihrer Probleme. Die Patienten sollten medizinisch rundum versorgt werden, um diese Gesundheitsgefahr zu senken, sagte Mittwochabend der Grazer Endokrinologe Harald Sourij bei der Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer in Schladming.

Den Anfang für "Altersdiabetes" macht zunächst das sogenannte metabolische Syndrom. Der Körper reagiert nicht mehr ausreichend auf das Blutzucker-senkende Hormon Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Daneben bestehen zumeist Übergewicht (Bauchumfang von mehr als 102 Zentimetern), eine verringerte Konzentration an "gutem" HDL-Cholesterin, erhöhte Blutwerte an Triglyceriden und schließlich ein erhöhter Blutzuckerspiegel sowie Bluthochdruck.

Für die Diagnose des Diabetes ist die Blutzuckerkonzentration entscheidend. Ein Nüchternblutzucker von mehr als 126 Milligramm pro Deziliter Blut an zumindest zwei Tagen wäre hier ausschlaggebend. Neuerdings wird dafür auch der sogenannte HbA1c-Wert (mehr als 6,5 Prozent bei zwei verschiedenen Messungen) verwendet. Mit dem HbA1c-Wert wird mittelfristig die Blutzuckereinstellung gemessen.

Sieben Jahre weniger

"Wir haben in Österreich eine halbe Million bis 600.000 Diabetiker (6,6 Prozent der Bevölkerung; Anm.). 150.000 bis 200.000 Diabetes-Fälle (zwei bis drei Prozent der Bevölkerung; Anm.) sind noch nicht diagnostiziert", sagte Sourij. Unter den 30- bis 44-Jährigen sind nur 1,6 Prozent Typ-2-Diabetiker, bei den über 75-Jährigen machen sie rund 25 Prozent aus.

Zuckerkranke haben ein zwei- bis vierfach höheres Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Herz-Kreislauf-Komplikationen. Gerade in den Herz-Kreislauf-Erkrankungen liegt für die Diabetiker die größte Gefahr. "Wird die Diabetes-Diagnose im Alter von 40 Jahren gestellt, verliert der Betroffene rund sieben Jahre an Lebenserwartung", warnte der Experte.

Eine geringere Lebenserwartung von im Mittel drei bis vier Jahren sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Daneben können aber auch die kleinen Gefäße geschädigt werden, was zu diabetischen Nerven- und Netzhautschäden sowie zu Nierenschädigungen führen kann. "Für die kleinen Gefäße sind Blutdruck und Blutzuckerspiegel entscheidend. Für die großen Gefäße (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atherosklerose; Anm.) sind es der Blutdruck, die Blutfette, dann erst der Blutzucker", sagte Sourij.

Todesraten halbieren

Die medikamentöse Blutzuckereinstellung ist jedenfalls nur ein Teil der Therapie. Mit zunehmendem Alter wird die Bedeutung einer "scharfen" Einstellung des Glukosespiegels im Vergleich zu einer zumeist ebenfalls notwendigen Blutdrucksenkung sowie zur Behandlung erhöhter Blutfettwerte und zur prophylaktischen Gabe von Blutgerinnungshemmern (z.B. niedrig dosiertes Aspirin) geringer.

Eine zu "scharfe" Blutzuckereinstellung kann speziell für betagte Patienten wegen der dann häufiger auftretenden Unterzuckerungs-Episoden (Hypoglykämie), die auch lebensgefährlich werden können, ein hohes Risiko darstellen. Eine große US-Studie von 1999 bis 2011 hat ergeben, dass mittlerweile bei den über 85-Jährigen bereits doppelt so viele Patienten wegen einer schweren Hypoglykämie in die Notfallaufnahmen kommen als wegen einer Hyperglykämie ("Überzuckerung"). Hypoglykämien können das Mortalitätsrisiko verdoppeln.

Insgesamt ist für die Typ-2-Diabetiker eine Versorgung bezüglich aller Risikofaktoren entscheidend. Gewichtsabnahme, Bewegung, Blutdruck-, Blutzuckereinstellung sowie Kontrolle der Blutfettwerte gehören zusammen. "Wenn multifaktoriell behandelt wird, lässt sich die Rate der Todesfälle und der Herz-Kreislauf-Ereignisse in etwa halbieren. Es ist ein Fehler, wenn man bei Diabetikern auf den Blutdruck und die Blutfettwerte vergisst", so Sourij. (APA, 10.3.2016)