Bestellfernsehen warf Vizekanzler Reinhold Mitterlehner dem ORF bei seinem ZiB 2-Auftritt vor und verlangte für sich das Gleiche, was Kanzler Werner Faymann an diesem Wochenende bekommt: einen Einzelauftritt in der Sendung Im Zentrum. Dieser emotionale Angriff des ansonsten beherrscht auftretenden ÖVP-Chefs wirkte aufgesetzt und befremdlich, zumal er Moderator Tarek Leitner in eine Diskussion über die Einladungspolitik verwickeln wollte.

Aber es war nicht das, was die Kronen Zeitung behauptete: "Mitterlehner nach TV-Blamage vor politischem Ende". Laut Österreich habe Mitterlehner die Sendung sogar "gesprengt". Dass sich just diese Zeitungen als Verteidiger des Kanzlers positionieren, überrascht nicht. Solange massiv Inseratengelder der öffentlichen Hand in Richtung Boulevard fließen, braucht Faymann keine Angriffe zu fürchten.

Der ORF hat sich mit dieser Solosendung keinen Gefallen getan. Der Vergleich mit der ARD-Sendung Anne Will, in der jüngst die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ein zweites Einzelinterview hatte, hinkt, weil Faymann am gleichen Tag die Möglichkeit gehabt hätte, seine Politik in der Pressestunde zu vertreten – auch allein, befragt von zwei Journalisten.

Diesem Format, das es in der ARD nicht gibt, stellt er sich ungern, und wenn, dann nur mit Journalisten, die ihm zusagen. Den Auftritt vergangenen Sonntag bei ATV soll Faymann abgesagt haben, weil er nicht gemeinsam mit Mitterlehner erscheinen wollte. Interviews in der ZiB 2 meidet er seit dem Sommergespräch 2012 mit Armin Wolf ohnehin, der ihn hartnäckig nach dem angeblich begonnenen Studium gefragt und auf eine biografische Lücke aufmerksam gemacht hatte.

Dass sich ORF-Verantwortliche immer wieder auf Bedingungen von Politikern einlassen, macht den ORF angreifbar und stellt seine Unabhängigkeit infrage. Dass sich die Kanzlerpartei mehr wünschen kann, war schon immer so: Legendär ist die "Stuhlprobe", die dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) eingeräumt wurde, als ihm sogar der Sessel fürs Probesitzen vor dem TV-Interview ins Kanzleramt gebracht worden ist. Das Moltofon sicherte damals den direkten Draht von ÖVP-Mediensprecher Wilhelm Molterer in die Chefredaktion.

Dass diese Über- und Untergriffe zunehmen, hat mit der Generaldirektorwahl im Sommer zu tun. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka drohte Alexander Wrabetz wegen der Faymann-Einladung offen und legte ihm nahe, "seine Schlüsse zu ziehen". Es rächt sich, dass Wrabetz bisher öffentlich Interventionen nicht zurückgewiesen hat. Wrabetz ist auch jetzt dabei, diskret ein Paket zu schnüren, das möglichst vielen Wünschen der Politik gerecht wird, zumal er sich auch Faymanns Unterstützung nicht ganz sicher sein kann. Die ÖVP will mit ihren Angriffen mehr herausschlagen.

Auch das war schon immer so: 2010 stimmten SPÖ und ÖVP einer 160-Millionen-Gebührenrefundierung für den ORF zu, im Gegenzug für mehr Kontrolle und Personal. Dabei gehört sich der ORF selbst. Parteifunktionäre und sogenannte Freundeskreise im Aufsichtsgremium maßen sich Einmischungen an, die im Widerspruch zur journalistischen Unabhängigkeit stehen. Die größte Medienanstalt des Landes muss endlich dem Zugriff der Parteien entzogen werden. Es geht nicht um Bestellfernsehen, sondern um das Abstellen der politischen Interventionen. (Alexandra Föderl-Schmid, 12.3.2016)