Rudolf Sarközi hat der am äußersten Rand lebenden Volksgruppe der Roma den Weg in die Mitte der Gesellschaft gewiesen.

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Die Republik erklärte die Roma 1993 zu einer Österreich mitkonstituierenden Volksgruppe.

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Wien – Rudolf Sarközi war, wie man so sagt, ein G'standener, einer, den so leicht nichts aus der Bahn wirft. Dabei war er aber auch hartnäckig, geduldig und geschickt bis hin zur Diplomatie. Und das alles brauchte er wohl auch, um der so lange am äußersten Rand lebenden Volksgruppe der Roma den Weg in die Mitte der Gesellschaft zu weisen.

"Vom Rand in die Mitte" – so heißt das 2011 erschienene Buch Sarközis, in dem der Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma und Vorsitzende des Volksgruppenbeirats Bilanz zog über sich und seine Lebensarbeit. Sarközis Lebensgeschichte erzählt nicht nur von der Schmach und der Schande Österreichs, sondern auch von seiner Kraft, sich eines Besseren zu besinnen.

Gesonderte Behandlung

Zur Welt gekommen und aufgewachsen ist er im Burgenland: geboren 1944 im KZ Lackenbach, dem sogenannten Zigeuner-Anhaltelager; großgeworden in einer "Zigeunerhütte" am Rand von Oberschützen. An einen normalen Bildungsweg war für den aufgeweckten Buben einer alleinerziehenden Bauhilfsarbeiterin nicht zu denken. "Zigeunerkinder" wurden – auch und gerade unmittelbar nach dem Krieg – gesondert behandelt. Acht Jahre Volksschule, dann die vergebliche Suche nach einem Lehrplatz, also Hilfsarbeiter.

Da ihm der vorgesehene Bildungsweg verwehrt blieb, beschritt Rudolf Sarközi gleich den eigentlichen, den des Lebens. Er übersiedelte aus der offenen Verachtung des Burgenlands in die anonyme Wurschtigkeit Wiens, arbeitete sich zum technischen Angestellten hoch. 1980 ging er als Kraftfahrer zu den Saubermännern der MA 48, wo er sich auch gewerkschaftlich betätigte und sein politisches Talent entdeckte.

Mit diesem Talent – harte und härteste Bretter vor den Köpfen zu bohren – warf er sich ins Zeug für seine Volksgruppe. Ja, es lässt sich sagen, dass erst mit Rudolf Sarközi die Volksgruppe der autochthonen österreichischen Roma in ein breiteres Bewusstsein gerückt wurde. Dafür netzwerkte, lobbyierte er vor allem in der Wiener SPÖ, für die er in der Döblinger Bezirksvertretung saß. 1991 gründete er den Kulturverein Österreichischer Roma, dessen Chef er bis zuletzt geblieben war.

Erfolg für Volksgruppe

1993 dann der Erfolg: Die Republik erklärte die Roma zu einer Österreich mitkonstituierenden Volksgruppe. Nur ein mörderisch Verrückter wollte das nicht wahrhaben, Franz Fuchs. Durch seine Bombe starben 1995 vier Oberwarter, die Republik war geschockt. Sarközi aber krempelte sich die Ärmel hoch. Nicht nur in Österreich. Seine Erinnerungsarbeit in Łódź und Auschwitz würdigte Polen 2013 mit dem Komturkreuz des Verdienstordens der Republik Polen.

Rudolf Sarközi, der Mann mit dem markant-ungarischen Schnurrbart, wurde auch hierzulande mit Ehrungen überhäuft. Er hat sie alle mit Stolz empfangen und getragen. 2002 verlieh ihm Bundespräsident Thomas Klestil den Titel Professor. Und den trug er stets mit besonderer Genugtuung. Denn er, den sie einst nicht wollten in der Schule, weil er "ein Zigeuner" war, trug ihn gewissermaßen stellvertretend für seine Volksgruppe, die mit ihm ohne Zweifel eine andere, selbstbewusstere geworden ist.

Am Samstag starb Rudolf Sarközi mit 71 Jahren nach schwerer Krankheit in Wien. Er hinterlässt eine Frau, einen Sohn und zwei Enkelkinder. (Wolfgang Weisgram, 14.3.2016)