"Fürst Igor" – seltsames Werk, blumig ausgeschmückt.

Foto: Volksoper

Wien – Zumindest ein paar Melodiefetzen aus Alexander Borodins Polowetzer Tänzen haben viele im Ohr – auch, da sie – durch Kismet – Eingang in die Populärmusik fanden. Es war wohlüberlegt, dass die Volksoper das Broadway-Musical zeigte, ehe sie mit der Oper herauskam, dem Original: dem von Borodin unvollendet hinterlassenen Fürst Igor, der von Rimski-Korsakow und Glasunow komplettiert und orchestriert wurde.

Dabei ist zweifellos eine spielbare Partitur herausgekommen, jedoch kein homogenes Meisterwerk, bei dem jede Note sakrosankt wäre. Das wusste man auch an der Volksoper, wo eine gestraffte Fassung erarbeitet wurde, die dennoch nicht ganz ohne Längen auskommt. Die reizvollen und die problematischen stilistischen Seiten sind im Grunde deckungsgleich: die kantigen russischen Elemente, die hin und wieder einfach wirkungsvoll gestrickt sind, sowie die Orientalismen, bunt, aber auch schwatzhaft.

Mehr als reibungslos

Dirigent Alfred Eschwé hat nicht nur diese Farbpalette bestens im Griff; er sorgt auch für straffe Tempi, für weit mehr als nur einen reibungslosen Ablauf mit der Bühne (einschließlich satt klingendem Chor). Von den Solisten werden Herausforderungen teils mit Anstand, teils mit Bravour bewältigt. In der Titelpartie ist Sebastian Holecek eine stimmlich mächtige Erscheinung, der die Pfundnoten, die die Gesangslinien des Stücks prägen, am gewichtigsten auszustatten vermag.

Als Gegenpart gibt Sorin Coliban einen polternden, zuweilen etwas grobschlächtigen Polowetzer Khan Kontschak, während Martin Winkler als Galitzky virtuos das Verschlagene mit dem Komödiantischen mischt. Viel kantable Schwermut serviert Melba Ramos als Igors Gattin Jaroslawna, während Annely Peebo als des Khans Tochter den gewundenen Exotismenso etwas wie natürlichen Fluss gibt. Regisseur und Bühnenbildner Thomas Schulte-Michels versuchte gar nicht, eine Lesart und eine einheitliche ästhetische Linie zu finden.

Spiegel der Gesellschaft

Er stellte scheinbar naiven Opernkitsch (wozu leider auch der Großteil der gestischen Ausstattung der Personen gehörte) neben Übertreibung und Bruch: So ließ er die Sonnenblumenkelche des Polowetzer Lagers in der später auch spektakulären Choreografie von Terese Rotemberg zunächst artig herantänzeln, machte die pompösen Kulissen dann zur lächerlichen Sitzgelegenheit, ließ jedoch im 2. Akt Spiegelwände manche im Publikum womöglich sich selbst erkennen, bevor die Bühne am Ende sogar fragmentiert wurde.

Ein Spiegelbild der Gesellschaft ist das Stück jedenfalls – etwa in Gestalt jener beiden Figuren, die ihr Fähnlein nach dem Wind hängen, um am Kuchen der Mächtigen mitzunaschen: Stefan Cerny und Christian Drescher gaben den beiden, also Skula und Eroschka hören, beißend-prägnantes Profil. (Daniel Ender, 20.3.2016)