Siegfried Walther als 'Otto Kringelein', Silvia Meisterle als 'Flämmchen' und Raphael von Bargen als 'Baron von Gaigern'

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Wien – Das Hotel ist für alle narrativen Kunstgattungen ein lukrativster Schauplatz. Von Ödön von Horváths Zur schönen Aussicht bis Thomas Manns Zauberberg, von Ralph Benatzkys Im weißen Rössl bis zu Sofia Coppolas Film Lost in Translation: Den losgelösten, verlorenen Menschen dienen Hotels als die idealen Herbergen. Ein halbes Dutzend solcher aus der Bahn geworfener Geschöpfe versammelt die 1888 in Wien geborene Schriftstellerin Vicki Baum in ihrem Roman Menschen im Hotel (1929). Er wurde dreimal verfilmt (u.a. mit Greta Garbo) und repräsentiert, angesiedelt in Berlin, eine im Umbruch befindliche Gesellschaft samt ihren verschiedentlich gebrochenen Biografien.

Der verarmte Baron von Gaigern (Raphael von Bargen) sucht als Trickbetrüger die Nähe zu den reichen Gästen; der vereinsamte Dr. Ottenschlag (Alexander Waechter), längst morphiumsüchtig, trägt die Kriegswunde sichtbar im Gesicht. Die aus der Mode gekommene Tänzerin Grusinskaja (Sona MacDonald) flüchtet vor der drohenden Bedeutungslosigkeit in ihre Suite. Und das "kunstseidene Mädchen" mit dem Spitznamen Flämmchen (Silvia Meisterle) muss machen, was die Weimarer Republik einer unverheirateten jungen Frau zum Überleben aufträgt: sich mit allen opportunen Mitteln höflich durchschlagen.

Fast nur Verlierer

In Cesare Lievis Inszenierung nimmt die melodramatische Entwicklung im historischen Setting ihren Lauf. Es wird, obwohl diese Menschen alle um ihr Dasein kämpfen, am Ende fast nur Verlierer geben. Lifttüren und Hotelbetten im Stil der neuen Sachlichkeit (Bühne: Maurizio Balò) setzen sich in den Kammerspielen der Josefstadt in Bewegung. Schnelle Schnitte helfen, die Erzählung szenisch zu verdichten. Jedoch erzeugt der Abend keinerlei Resonanzraum, in dem die historisch zugeschnittenen (und heute überkommenen) Figuren nachklingen könnten; es liegt über allem die doch recht bleierne Folie des 1920er-Jahre-Realismus.

Befreit davon agieren Siegfried Walther als aufbegehrender Verwaltungsbeamter Kringelein und der schmierig-elegante Generaldirektor Preysing des Heribert Sasse. Ihr "Duell" ist nicht nur eine Genugtuung für alle Unterdrückten, sondern offenbart die zeitlos urwüchsige Kraft gegeneinander operierender Interessen. (Margarete Affenzeller, 21.3.2016)