"Möglich, dass wir in den letzten Jahren ein bisschen zu gierig waren." Zu dieser Einsicht kommt Daniel Riedo, CEO der Luxusuhrenmarke Jaeger-LeCoultre, in der "International New York Times". Er führt dies darauf zurück, dass sich viele Protagonisten der Schweizer Uhrenindustrie von einem jährlichen Wachstum von rund 15 Prozent dazu hätten hinreißen lassen, die Preise von der Kette zu lassen.

Damit dürfte fürs Erste Schluss sein. Das zeigte sich bereits auf dem Genfer Uhrensalon Anfang des Jahres, wo im Wesentlichen Marken des Luxusgüterkonzerns Richemont ausstellten, und erhärtete sich nun auf der größten Uhrenmesse der Welt, der Baselworld, die am Donnerstag (24.3.2016) ihre Tore schloss.

Nicht mehr ganz so rund läuft es für die Schweizer Uhrenindustrie. Sie musste 2015 Federn lassen, blickt aber optimistisch auf 2016. Im Bild: Der Stand von Patek Philippe.
Foto: Ruben Sprich

Jahrelang stiegen die Preise für mechanische Zeitmesser in immer neue, teils schwindelerregende Höhen. So verwundert es wenig, dass die Schweizer Uhrenindustrie heute wertmäßig etwa doppelt so viel exportiert wie vor zehn Jahren, die Stückzahlen in diesem Zeitraum aber gerade einmal um knapp 15 Prozent wuchsen. Fazit: Der Erfolg der letzten Jahre war vor allem preisgetrieben.

Chinesische Schmerzen

Wirtschaftliche und andere Unsicherheiten in den wichtigsten Absatzmärkten bremsten den Appetit der Konsumenten auf edle Zeitmesser. Vor allem die Abkühlung der chinesischen Konjunktur macht der Branche zu schaffen. Global waren die Exporte im Jänner 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 7,9 Prozent zurückgegangen. In Hongkong, dem wichtigsten Einzelmarkt für die Schweizer Uhrenbranche, ist die Entwicklung dramatisch: Ganze 33,1 Prozent weniger Uhren wurden im Jänner 2016 dorthin exportiert.

Eine Konsequenz: Der Richemont-Konzern wird seine Watches & Wonders genannte Uhrenmesse, das Hongkonger Pendant zum Genfer Uhrensalon, ab sofort nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle zwei Jahre abhalten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Aldo Magada, CEO von Zenith
Foto: REUTERS/Ruben Sprich

China tut vor allem jenen Marken weh, die dort überproportional präsent sind, wie zum Beispiel Zenith. Die zum LVMH-Konzern gehörige Uhrenmarke verkauft zwei von drei seiner Uhren an Chinesen. "2016 ist sehr schwierig, weil es den Leuten an Zuversicht fehlt", sagt Zenith-Chef Aldo Magada. Die Lösung liegt für viele Hersteller in einer Veränderung des Produktsortiments und der Preisgestaltung.

Mehr Stahl, weniger Gold

Auch Zenith möchte weniger Gold-, dafür mehr Stahluhren verkaufen. Damit einhergehend senkte Zenith die Preise für "El Primero"-Chronografen und "Elite"-Modelle im Einstiegssegment um bis zu 20 Prozent. Eine nicht ganz unumstrittene Maßnahme.

Auch bei der Zenith-Schwester TAG Heuer kalkuliert man schon länger scharf. Im Jänner des Vorjahres, als der "Frankenschock" die Schweizer Exportwirtschaft aufschreckte, hatte TAG-Heuer-Boss Jean-Claude Biver die Durchschnittspreise weltweit um rund zwölf Prozent gesenkt. "Wir dürfen unser Kerngeschäft nicht aus den Augen lassen", mahnte er und gab die Parole aus: "TAG Heuer soll die Referenz für erreichbaren Luxus sein: Wenn wir eine 3.000-Euro-Uhr bauen, dann muss sie wie eine 9.000-Euro-Uhr aussehen."

Bild nicht mehr verfügbar.

Hält TAG Heuer auf Trab: Jean-Claude Biver
Foto: REUTERS/Ruben Sprich

Und so präsentierte die Marke auf der Baselworld einen "Preisbrecher" der besonderen Art: die "Carrera – Heuer 02T", einen COSC-zertifizierten Automatikchronografen mit fliegendem Tourbillon aus Titan und Karbon, für vergleichsweise schlappe 15.000 Schweizer Franken (rund 14.000 Euro). Geradezu eine Provokation, ganz nach dem Geschmack des Uhrengurus Biver, der immer schon ein Händchen fürs Marketing hatte. Denn bisher galt schon der hauseigene Tourbillon von Frédérique Constant für rund 29.000 Euro als günstig.

Apropos Frédérique Constant, apropos Preisbrecher: Die Genfer stellten einen Ewigen Kalender mit Manufakturwerk ("Slimline Perpetual Calendar Manufacture") um 7.995 Euro in Stahl vor.

Auf dem Weg zur Normalisierung

Andere Marken werden folgen, ist sich Uhrenexperte Gisbert Brunner sicher, den diese Normalisierung freut. "Die Schere zwischen den frei verfügbaren Einkommen und den Uhrenpreisen darf sich nicht noch weiter öffnen", gibt er sich geradezu um den sozialen Frieden besorgt.

Auch Stephen Urquhart, Präsident von Omega, verspricht, dass sich der Durchschnittspreis seiner Produkte bei rund 7.000 Euro bereits eingependelt habe und keine weiteren Preiserhöhungen geplant sind. Just vor der Uhrenmesse veröffentlichte Omegas Mutterkonzern, die Swatch Group, ihre Bilanz 2015.

Nicht zu übersehen: Der Omega-Stand auf der Baselworld
Foto: Omega

Darin zu lesen war unter anderem, dass der größte Uhrenhersteller der Welt im letzten Jahr um drei Prozent weniger Umsatz machte, dieser betrug daher nur 8,45 Milliarden Franken (rund 7,7 Milliarden Euro). Schuld daran sei weniger China als vielmehr der überbewertete Franken, der das Unternehmen über eine Milliarde Umsatz gekostet habe, wie es hieß.

Quarzuhr abgeschlagen

Anders als Richemont will die Swatch Group aber keine Mitarbeiter entlassen, sondern 2016 weiter investieren. "Wir werden ungefähr genauso viele Geschäfte eröffnen wie 2015", sagte Konzernchef Nick Hayek auf der Bilanzpressekonferenz. Rund 100 waren es vergangenes Jahr.

Auch die Smartwatch war heuer wieder ein Thema: Im vierten Quartal 2015 wurden insgesamt 8,1 Millionen Computeruhren verkauft, dem stehen 7,9 Millionen Uhren Schweizer Hersteller gegenüber. Allein die Applewatch habe bei den Smartwatches inzwischen einen Marktanteil von 63 Prozent erreicht. Das berichtete die Analysefirma Strategy Analytics.

Bild nicht mehr verfügbar.

Windowshopper beim Stand von Rolex.
Foto: REUTERS/Ruben Sprich

In diesem Zusammenhang muss man sich weniger um den mechanischen Zeitmesser Sorgen machen als vielmehr um die Quarzuhr in den Preislagen um 200 bis 500 Euro. Der Konsument wird eher die Computeruhr wählen, weil die bei gleichem Preis deutlich mehr Features bietet. Äußerlich ist sie vielfach sowieso kaum mehr von einem klassischen Zeitmesser zu unterscheiden. (Markus Böhm, RONDO, 24.3.2016)