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Foto: REUTERS/Vincent Kessler

Ist Myriam El Khomri wirklich in der Badewanne ausgerutscht, wie behauptet wird? Oder war es Schlafmangel, weil eine ihrer beiden Töchter eine Nacht lang kein Auge zutat? Auf jeden Fall musste sich die 38-jährige Arbeitsministerin Anfang März für einige Stunden in Spitalpflege begeben; und die Pariser Medien, die mit der aparten Frau noch nie sehr zimperlich waren, höhnten bereits, die jüngste Ministerin sei ihrer Aufgabe offenbar nicht gewachsen.

Die Ministerin, die keine Allüren hat, dafür ein stets freundliches Lächeln, steht in der Tat vor einer Herkulesaufgabe: Myriam El Khomri soll jenem Gesetz zum Durchbruch verhelfen, das den französischen Arbeitsmarkt liberalisieren und das Land aus der Wirtschaftsstarre reißen soll. "La loi El Khomri", wie es genannt wird, lockert die 35-Stunden-Woche und erleichtert Kündigungen. Eine Revolution für Frankreich.

Und ausgerechnet die jüngste Ministerin, die erst seit sechs Monaten im Amt war und damit die unerfahrenste Ressortchefin ist, musste das Projekt am Donnerstag vorlegen und verteidigen. Die in Marokko geborene und in Westfrankreich aufgewachsene Autodidaktin, die keine Eliteschulen absolviert hat, aber als sozialistische Stadträtin in Paris aufgefallen ist, verteidigt ein Gesetz, das von 71 Prozent der Franzosen abgelehnt wird. Seit Wochen laufen die französischen Gewerkschaften Sturm dagegen. Präsident François Hollande ist in mehreren Punkten zurückgerudert: Wichtige Maßnahmen, wie etwa eine Höchstgrenze für Kündigungsabfindungen, ließ er streichen.

Zum Wochenbeginn warf auch die Unternehmerseite den Fehdehandschuh: Alle sieben wichtigen Arbeitgeberverbände verlangen in seltener Einmütigkeit, dass El Khomri die ursprünglich geplante Reform dem Parlament vorlegt. Die Fronten sind damit völlig verhärtet. Dazwischen eingeklemmt lavieren Hollande und Premierminister Manuel Valls. Mehr und mehr stützen sie sich auf ihre "kleine Soldatin", so "Le Figaro". El Khomri verteidigt das ihr aufgetragene Projekt, das sie gar nicht wollte, als wäre sie seit jeher Expertin in Sachen Arbeitsrecht. Dass sie kein ausgefuchster Politveteran ist, sondern ein politisches Leichtgewicht mit Migrationshintergrund, nützt ihr sogar im Dialog mit Studenten und Berufseinsteigern. Dessen ungeachtet folgten am Donnerstag erneut zehntausende junge Franzosen dem Demonstrationsaufruf linker Studentenverbände. (Stefan Brändle, 24.3.2016)