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Vojislav Šešelj (Dritter von rechts) bei der Verbrennung einer kroatischen Flagge 2015. Dass er in Serbien frei herumläuft, stört Zagreb.

Foto: Reuters / Marko Djurica

Zagreb/Sarajevo – Es kommt wie das Amen im Gebet. Jedes Mal, wenn es um den EU-Beitritt eines Nachbarstaates geht, legt irgendjemand sein Veto ein. Österreich machte Tschechien massive Probleme – angeblich wegen des Atomkraftwerks Temelín und der Beneš-Dekrete. Slowenien blockierte den EU-Beitritt Kroatiens wegen eines Grenzstreits in der Adria. Als Serbien den EU-Beitrittskandidatenstatus bekommen sollte, entdeckte Rumänien plötzlich die Minderheit der Wlachen in Serbien. Jetzt geht es darum, dass Serbien das nächste Verhandlungskapitel eröffnen sollte: Kapitel 23 beschäftigt sich mit der Justiz und den Grundrechten. Nun fordert Kroatien die Erfüllung von drei Bedingungen.

Dem Nachbarn geht es um die kroatische Minderheit in der Vojvodina in Serbien, die noch nicht im Parlament vertreten ist, und um die volle Kooperation mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. In Zagreb ist man verärgert, dass der Haager Angeklagte Vojislav Šešelj frei in Belgrad herumläuft. Drittens geht es darum, dass Serbien Staatsbürger anderer Staaten wegen Kriegsverbrechen verfolgt. Kroatien wäre mit einem Versprechen von Serbien, die Forderungen umzusetzen, zufrieden.

Widersprüchliche Angaben

Inhaltlich ist vor allem der dritte Punkt relevant. Tatsächlich hat Serbien immer wieder für Ärger bei den Nachbarn gesorgt, weil es deren Staatsbürger in Serbien wegen Kriegsverbrechen belangte, wobei die von Serbien angegebenen Taten nicht einmal in Serbien stattfanden. Für dieses Vorgehen gibt es in Serbien eine gesetzliche Grundlage, deren Abschaffung Kroatien fordert. Der prominenteste Fall war jener des bosnischen Ex-Generals und engagierten Sozialhelfers Jovan Divjak, der aufgrund eines serbischen Haftbefehls peinlicherweise 2011 in Wien festgenommen worden war.

Angeklagt ist in Serbien auch der Bosnier Mitar Čanković wegen eines Mordes im Jahr 1995 in Bosnien-Herzegowina. In der Anklage gegen Marko Crevar – es geht um ein Dorf in Kroatien – ist von der Staatsanwaltschaft in Serbien zu lesen: "Am Morgen des 31. Oktober 1991 (...) in der Republik Kroatien, einem Bestandteil der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien". Tatsächlich hatte Kroatien bereits zuvor, am 25. Juni 1991, seine Unabhängigkeit erklärt.

Sorge vor Einmischung

Für Kroatien geht es also nicht nur darum, die eigenen Bürger vor einer möglichen Auslieferung in den künftigen EU-Staat Serbien zu schützen, sondern auch um die Wahrung der Souveränität – man will nicht, dass Serbien von außen Einfluss auf rechtliche Belange in Kroatien nimmt, die kroatische Staatsbürger betreffen. Der Disput zeigt auch, dass es in den anderen Staaten Ex-Jugoslawiens noch eine tief verankerte Sorge gibt, dass Serbien sich einmischt.

In Zagreb gibt es aber auch kritische Stimmen, die meinen, dass die Veto-Androhung nichts mit dem Inhalt zu tun hat. Denn seit die HDZ in Kroatien wieder an der Macht ist, wird ein stark nationalistischer Ton angeschlagen. Einen anderen Streit zwischen Kroatien und Serbien gibt es zudem seit Monaten um Aufrüstung. Vergangenes Jahr hat Kroatien bei der US-Regierung angefragt, ein Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem zu kaufen. Die Raketen könnten leicht auch serbisches Gebiet treffen. Der serbische Premier Aleksandar Vučić hatte im Jänner verlautbart, dass er von Russland S-300-Boden-Luft-Raketensysteme kaufen könnte. Nationalistische Boulevardzeitungen heizen den Rüstungsstreit an. (Adelheid Wölfl, 29.3.2016)