Unter die Oberfläche schauen und damit Krankheiten erkennen können: Das hat zu einem Boom bildgebender Verfahren in der Medizin geführt.

Foto: Katsey

Für Menschen, die Schmerzen haben, sind lange Wartezeiten bis zur Diagnose belastend.

Foto: Katsey

Nicht immer beeinflusst ein Bild die Therapie. Neue Leitlinien sollen Klarheit schaffen.

Foto: Katsey
Foto: eigene Darstellung

Natürlich habe ich die 200 Euro auf den Tisch gelegt", erzählt Walter B. (Name von der Redaktion geändert) dem niederösterreichischen Patientenanwalt Gerald Bachinger. Seit Wochen leidet der Tischler an Knieproblemen. Vom Arzt hat er deshalb eine Überweisung zur Magnetresonanztomografie (MRT) bekommen. Auf Nachfrage im nächstgelegenen Radiologieinstitut hieß es: nächster Termin in acht Wochen, außer B. bezahlt die Untersuchung selbst. "Bei acht Wochen Krankenstand hätte mir mein Chef gekündigt", sagt B.

In einer ähnlich misslichen Lage befand sich auch Klaus H. (Name geändert), dessen Fall Patientenanwalt Bachinger ebenfalls genau kennt: H. ist Pilot und leidet an Schwindelanfällen. Auch hier überwies der behandelnde Arzt zur MRT. H. versucht so schnell wie möglich einen Termin zu bekommen, um seine Fluglizenz nicht zu verlieren. Auch für ihn das ernüchternde Ergebnis: sechs Wochen Wartezeit, obwohl er sogar in vier Instituten angefragt hatte.

Die Wartezeiten auf MRT- und Computertomografieuntersuchungen liegen laut Test des Vereins für Konsumenteninformation in Österreich derzeit zwischen drei und neun Wochen. Das Problem besteht nicht in allen Bundesländern gleich stark. Laut Bachinger gibt es ein Ost-West-Gefälle: "Kaum Probleme mit Wartezeiten gibt es in Vorarlberg, Tirol oder Salzburg. Patienten in Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und dem Burgenland sind stark betroffen."

Der verlängerte Krankenstand

Das Problem kann jeden jederzeit treffen. 35.400 Patienten müssen laut einer Studie der CBSC Unternehmensberatung aus dem Jahr 2013 durch das Warten auf eine CT- oder MRT-Untersuchung jährlich ihren Krankenstand verlängern und produzieren damit 380.000 zusätzliche Krankenstandstage. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet das Wertschöpfungseinbußen in der Höhe von 49 Millionen Euro pro Jahr.

Wie entstehen nun aber für besorgte und schmerzgeplagte Patienten Wartezeiten von bis zu neun Wochen? Wer dieser Frage auf den Grund gehen will, stößt schnell auf verhärtete Fronten.

Und zwar bei den zwei wichtigsten Akteuren der Causa: dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger als Dachorganisation der Krankenkassen und den Instituten für Bildgebende Diagnostik, vertreten durch den Fachverband der Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer. Auch zuweisende Ärzte und Patienten selbst sind an der prekären Situation teilweise schuld – doch zunächst zurück zum Anfang.

2009 hat die Sozialversicherung eine immer wieder als "Deckelung" bezeichnete Honorarsummenobergrenze für ihre Zahlungen an die Radiologieinstitute eingeführt. Konkret funktioniert das System so: Die Sozialversicherung gibt eine Geldsumme vor, die vom Radiologieinstitut nicht überschritten werden darf. Geschieht dies doch, verlangt die Sozialversicherung einen Mengenrabatt. Wird ein Gerät also statt 1000-mal 1500-mal benützt, kommt es zu einer Kostendegression, der Preis für die einzelne Untersuchung sinkt.

"Beträgt die Vergütung für eine MRT zu Beginn des Jahres noch 165, sind es zu Jahresende nur mehr 136 Euro", erklärt Manfred Baldt. Er ist Radiologe und führte stellvertretend für die Radiologieinstitute die Vergütungsverhandlungen mit der Sozialversicherung. "Ab einer bestimmten Menge müssen Radiologen die Untersuchungen gratis durchführen, weil sie Teil des öffentlichen Gesundheitswesens sind", erklärt Bachinger.

"Ein solches Honorierungssystem ist im Gesundheitssystem nicht unüblich", sagt Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am Institut für Höhere Studien (IHS), "der Zahler will sich damit absichern, dass seine Ausgaben nicht explodieren." Es gebe dabei ein sogenanntes Principal-Agent-Problem: "Arzt und Patient vereinbaren eine Untersuchung, und ein Dritter zahlt, nämlich die Sozialversicherung, die keinen Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann."

Bei der Vereinbarung der beiden Parteien handelt es sich also um eine Beitragsdeckelung und nicht um eine Mengendeckelung. Und ab hier scheiden sich die Geister. "Seit Jahren gibt es Interpretationsunterschiede darüber, was im Vertrag genau drinnensteht", sagt Patientenanwalt Bachinger.

Einerseits sei laut Baldt dort festgehalten worden, und darauf berufen sich die Radiologen, dass die Institute nicht mehr Untersuchungen durchführen müssen, als sie bezahlt bekommen. Andererseits, und daran klammert sich die Sozialversicherung, muss jede medizinisch notwendige Untersuchung gemacht werden. Ein Widerspruch in Reinkultur.

Für beide Seiten stehe laut eigenen Angaben fest, dass es in dringenden Fällen, etwa bei Krebspatienten, keine langen Wartezeiten geben darf. Dafür seien Akut-Slots vorgesehen. "Ist ein Fall nicht dringend, müssen die Patienten eine – dennoch erträgliche – Wartezeit akzeptieren", sagt Ulrike Rabmer-Koller, Vorstandsvorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

Seit Jänner 2014 ist das Ausgabenlimit an die Versicherungsbeiträge gekoppelt. Die Honorarsumme, die von den Sozialversicherungen vorgegeben wird, wächst also proportional zu den Beiträgen, die von den Kassen eingenommen werden. Laut Andreas Obermaier von der Wiener Gebietskrankenkasse gab es im Jahr 2015 einen Anstieg um 3,48 Prozent. "Wir können im Interesse unserer Versicherten nur so viel ausgeben, wie wir auch einnehmen. Die Honorarsummenbegrenzung ist ein wirksames Steuerinstrument und wurde vom Verfassungsgerichtshof als zulässig bestätigt."

Für Menschen, die Schmerzen haben, sind lange Wartezeiten bis zur Diagnose belastend.
Foto: Katsey

Um das Problem zu relativieren, betonen die Krankenkassen immer wieder, dass Wartezeiten nur punktuell ein Problem seien. "Die zur Verfügung stehenden Honorare werden gar nicht überall ausgeschöpft", sagt Jan Pazourek, Generaldirektor der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse.

Mehr, als die Kassen zahlen

Die Radiologen sind mit der aktuellen Situation aus vielerlei Gründen unzufrieden. "Bevor es die Deckelung gab, hat jeder Patient nach höchstens vier Tagen einen Termin bekommen", sagt Baldt. Heute sei das anders, "es kommen mehr Patienten, als die Kassen an Untersuchungen bezahlen". Ist die vorgegebene Summe ausgeschöpft, müssten Radiologen ihre Patienten gratis behandeln, auch benötigte Materialien, wie etwa Kontrastmittel, würden dann nicht mehr von der Krankenkasse vergütet.

"Es gibt wirtschaftliche Grenzen, durch die es zu den Wartezeiten kommt. Kein Unternehmer kann seine Mitarbeiter darum bitten, statt 40 plötzlich 50 Stunden in der Woche um das gleiche Entgelt zu arbeiten", sagt Baldt. Dass ein Institut das zur Verfügung stehende Honorar nicht ausschöpft, komme laut Baldt eher selten vor, etwa weil Reparaturen an Geräten notwendig seien oder ein Institut wegen Personalmangels nicht zu hundert Prozent arbeiten könne.

Neben den Patienten seien auch die Radiologen die Leidtragenden. Baldt: "Die Patienten stehen mit ihren berechtigten Beschwerden bei uns am Schalter und nicht im Hauptverband." Als Radiologe steht man täglich vor einem Dilemma: "Macht man eine Untersuchung gratis, oder sagt man dem Patienten, dass er acht Wochen warten muss?"

Ohnehin würden viele Institute schon gratis untersuchen, weil sie Patienten in sozial schwierigen Situationen, etwa im Fall einer alleinerziehenden Mutter, keine langen Wartezeiten zumuten wollen. In Kärnten würden etwa sechs Prozent der Untersuchungen pro Jahr gratis durchgeführt.

Weil der Bedarf an MRT- und CT-Untersuchungen pro Jahr um fünf bis sieben Prozent steigt, fordert Baldt auch eine Ausgabensteigerung der Sozialversicherung in dieser Dimension. "In diesem wichtigen medizinischen Bereich muss es möglich sein, das benötigte Geld irgendwo in den Budgets zusammenzukratzen", sagt der Radiologe und kritisiert dabei auch den Preis pro Untersuchung.

"Wir haben einen der niedrigsten Tarife in Europa", sagt Baldt, "im Schnitt wird eine MRT mit 155 Euro und eine CT mit 100 Euro vergütet. Es ist unverständlich, dass trotz dieser niedrigen Tarife dann auch noch die Zahl der Untersuchungen durch Ausgabenobergrenzen beschränkt wird."

Das Problem Gerätedichte

Auch die Anzahl der verfügbaren Magnetresonanztomografen in Österreich könnte ein Mitgrund für lange Wartezeiten sein. Denn obwohl sich Krankenkassen, Hauptverband und auch das Gesundheitsministerium immer wieder auf eine OECD-Untersuchung berufen, die Österreich eine überdurchschnittlich hohe Dichte an MRT-Geräten bescheinigt, weisen andere Studien weit geringere Zahlen auf.

Czypionka erklärt, warum die OECD-Zahlen nicht zuverlässig sind: "Viele der Länder, in denen die Geräteanzahlen verglichen wurden, haben nur die Tomografen aus den Krankenhäusern und nicht aus dem niedergelassenen Bereich gemeldet." Dazu gebe es in vielen Ländern gar keine Daten. Laut einer IHS-Studie liege Österreich im Mittelfeld. Das glaubt auch Radiologe Baldt: "Die Mär von Österreich als Weltmeister der Geräteanzahl stimmt nicht."

Der Verein für Konsumenteninformation hat in seiner kürzlich veröffentlichten Studie untersucht, ob Institute, Patienten, die bereit sind, privat zu zahlen, vorreihen. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Institute ging auf die Frage nach einem früheren privat bezahlten Termin ein. Die Wartezeit verkürzte sich um bis zu mehrere Monate.

Das Problem ist bekannt. In einem der Redaktion vorliegenden Brief fordert Bernhard Wurzer, stellvertretender Generaldirektor des Hauptverbands, die Radiologieinstitute dazu auf, Privatpatienten gegenüber Kassenpatienten nicht zu bevorzugen.

"Zahlungen dafür, dass ein Patient einen Termin rascher erhält oder sonst bevorzugt behandelt wird, sind weder vorgesehen noch zulässig", schreibt Wurzer. Patienten würden in die Situation versetzt, aus einer Notlage heraus Geld zu zahlen, um behandelt zu werden. Die Sozialversicherung sieht dadurch das solidarische Gesundheitssystem außer Kraft gesetzt. Auch Raphaela Pammer, Sprecherin von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, kritisiert diese unzulässige Zweiklassenmedizin.

"Dass es, wie die Radiologen behaupten, ein Kapazitätsproblem gibt und alle Geräte extrem stark ausgelastet sind, kann nicht stimmen, wenn es immer wieder möglich ist, dass Privatpatienten auch kurzfristig einen Termin bekommen", sagt Patientenanwalt Bachinger. Dieser Meinung ist auch Gesundheitsökonom Czypionka vom IHS. "Die Institute wollen zusätzliche Untersuchungen nicht durchführen, weil sie sie nicht bezahlt bekommen. Dann steht das Gerät leer, und in dieser Zeit werden Privatpatienten behandelt."

Die Krankenkassen sehen in der Bevorzugung von Privatpatienten ganz klar einen Vertragsbruch. "Wir beobachten immer wieder, dass einzelne Betreiber privat abkassieren, sie bringen damit leider das ganze System in Verruf", sagt Jan Pazourek, Generaldirektor der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Die Terminvergabe müsse nach medizinischer Dringlichkeit vorgenommen werden.

Gibt es den Vorwurf, dass Privatpatienten in einem Institut vorgereiht werden, holen die Krankenkassen eine Stellungnahme des Vertragspartners ein und verwarnen ihn. Rechtliche Schritte seien der letzte Ausweg. "Bisher konnten wir diese Fälle immer aufklären", sagt Obermaier von der WGKK, "deshalb gab es noch keine gröberen Konsequenzen für ein Institut."

Hauptverbandsvorsitzende Rabmer-Koller bittet die Versicherten darum, vertragswidriges Verhalten eines Instituts an die Krankenkassen zu melden. Fälle, die in der Öffentlichkeit und in den Medien ausführlich diskutiert werden, würden oft gar nicht bei den Kassen gemeldet. Ein neu zusammengestellter Handlungsleitfaden für die Terminvereinbarung beim Radiologen auf der Internetseite des Hauptverbands soll dazu anregen.

Darin heißt es: "Wird Ihnen von einem Radiologischen Institut mit Kassenvertrag ein rascher Termin nur unter der Bedingung angeboten, dass Sie die Kosten der verordneten Untersuchung selbst tragen, informieren Sie bitte direkt die Ombudsstelle Ihrer Krankenversicherung über diese Vorgangsweise und wenden Sie sich an ein anderes Institut."

Von einer ganz anderen Realität berichtet hingegen Radiologe Baldt: "Immer wieder hören wir von den Krankenkassen, dass sie über jeden Patienten dankbar sind, der freiwillig in die Business-Class wechselt, weil dadurch in der Economy-Class ein Kassenpatient früher drankommt." Baldt sieht nichts moralisch Verwerfliches darin, einen Patienten, der die Wartezeit verkürzen will und es sich leisten kann, außerhalb der Öffnungszeiten eines Instituts, also nachdem die vertraglich vereinbarten Wochenstunden erbracht wurden, privat zu untersuchen.

Nicht immer beeinflusst ein Bild die Therapie. Neue Leitlinien sollen Klarheit schaffen.
Foto: Katsey

"Nur wenn sich jemand, der sich die private Untersuchung nicht leisten kann, dazu gezwungen sieht, wird es problematisch", sagt Baldt. Die Radiologen würden vom Verband für Bildgebende Diagnostik dazu angehalten, ihre privaten Tarife möglichst in ähnlicher Höhe wie die Kassentarife zu gestalten.

Künstliche Wartezeiten

Während breiter Konsens darüber herrscht, dass nicht die Öffnungszeiten der Institute die Probleme verursachen, gibt es jedoch Kritik an der Abwicklungsdichte. "Kein Mensch weiß, wie viele Untersuchungen tatsächlich in einem Institut gemacht werden. Es besteht die Gefahr, dass künstliche Wartezeiten produziert werden", sagt Patientenanwalt Bachinger.

Auch Pazourek von der NÖGKK hat diesen Verdacht und verlangt von den Instituten, mehr Termine zu vergeben: "Der künstliche Engpass wird geschaffen, um einerseits zusätzlichen Umsatz mit Privatpatienten zu machen, und andererseits soll damit Druck für die nächste Vertragsperiode aufgebaut werden – unterm Strich zählen grüne Dollar."

Baldt gesteht ein, dass ein Institutsbetreiber, der seine Ausgabenobergrenze erreicht hat, die Anzahl der Untersuchungen drosseln wird: "Alle weiteren Termine würde der Radiologe gratis machen und müsste dafür noch selbst Personal und Kontrastmittel zahlen." Er selbst teile sich ein Gerät mit dem LKH Wolfsberg, das täglich von 6 Uhr bis 22.30 Uhr "glühe". Abgesehen von der Verzögerungstechnik könnten Lage und Service eines Instituts zu unterschiedlichem Patientenandrang führen. Damit sei auch zu erklären, warum es in manchen Instituten zu langen Wartezeiten kommt und andere nicht komplett ausgelastet sind.

Neben dem niedergelassenen Bereich sind auch Krankenhäuser von längeren Wartezeiten betroffen. Radiologe Baldt kennt die Problematik: "Die Spitäler sind froh, wenn sie alle stationären Patienten untersuchen können. Durch das neue Arbeitszeitgesetz werden die Untersuchungen in den Spitälern tendenziell weniger, obwohl der Bedarf dafür steigt." Deshalb versuchen Spitäler, die Zahl der Untersuchungen zu reduzieren.

Patientenanwalt Bachinger kennt viele Fälle, in denen Patienten mit dem Bedarf einer MRT- oder CT-Untersuchung vom Krankenhaus in den niedergelassenen Bereich verwiesen wurden. "Die Ambulanzen sind unterfinanziert, deshalb bekommen Patienten die Anweisung, sich außerhalb einen Termin zu holen. Denn je länger ein Patient im Spital auf eine Untersuchung warten muss, desto länger dauert auch sein Aufenthalt, und das erhöht die Kosten."

Neben strukturellen und gesundheitspolitischen Ursachen spielen auch medizinische Entscheidungen für die langen Wartezeiten auf CT- und MRT-Untersuchungen eine Rolle. Zwischen 2009 und 2012 stiegen laut Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts die Gesamtzahlen an MRT-Untersuchungen um 3,3 Prozent an. Das liegt unter anderem an der medizinisch-technischen Weiterentwicklung der Geräte.

"In den letzten zehn bis 15 Jahren hat die medizinische Sinnhaftigkeit der Untersuchungen zugenommen. Die Auflösung der Geräte wird immer besser, und dadurch kann weit mehr entdeckt werden", sagt Czypionka.

Bei der MRT-Untersuchung wird im Vergleich zu anderen bildgebenden Verfahren wie CT oder Röntgen keine ionisierende Strahlung, sondern ein starkes Magnetfeld eingesetzt. Stoffwechselvorgänge und Funktion von Geweben und Organen können, zusätzlich zur Anatomie, dargestellt werden. Durch einen höheren Weichteilkontrast (im Vergleich zu CT und Ultraschall) weist die MRT zudem eine höhere Sensitivität gegenüber Erkrankungen auf. Tomografische 2-D- oder 3-D-Bilder können in jeder Ebene erstellt werden, ohne dass der Patient bewegt werden muss.

Zu viele Untersuchungen

Durch diese Vorteile der Komplettuntersuchung erhoffen sich Ärzte und Patienten eine bessere Diagnose. "Die MRT ist eine wertvolle Untersuchung, aber nicht alle Untersuchungen sind zu hundert Prozent notwendig", sagt Obermaier von der WGKK. Mit mehr als 100 MRT-Untersuchungen jährlich pro 1000 Einwohner führt Österreich die Statistik der OECD-Länder deutlich an.

Die Studienautoren des Ludwig-Boltzmann-Instituts vermuten dahinter einen möglicherweise übermäßigen und unangemessenen Einsatz der Technologie. "Es gibt viel zu viele unnötige Zuweisungen. Die MRT führt weltweit die Liste mit den häufigsten unnötigen Interventionen an", sagt auch Pazourek von der NÖGKK.

Die Zweck-Mittel-Relation bildgebender Verfahren wird derzeit zunehmend diskutiert. Eine angemessene Untersuchung führt laut Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts zu einer Diagnose und einer Veränderung der Therapie(planung).

Zu einer sogenannten "Überdiagnose" kommt es hingegen, wenn bei Personen eine Erkrankung diagnostiziert wird, die bei ihnen weder zu Symptomen noch zu einem früheren Tod führen wird. Eine gesunde Person wird so zu einer kranken. Es kommt beim Patienten zu Angst und für das Gesundheitssystem zu unnötigen Kosten, etwa für die Untersuchung, Medikamente und Therapien.

Patienten und Ärzte müssen sich darüber im Klaren sein, dass eine MRT-Untersuchung also nicht zwangsläufig Vorteile bringt. Nur wenn der Bildgebung eine ausreichend klinische Untersuchung vorangeht, ist eine Überweisung zur MRT sinnvoll. Rückenschmerzen etwa verschwinden oft nach wenigen Tagen von allein wieder oder nach der Behandlung mit Medikamenten, Gymnastik oder Massagen. Erst wenn es zu Lähmungserscheinungen, Fieber, Entzündungszeichen im Blut, Gewichtsverlust, Müdigkeit und Appetitlosigkeit kommt oder wenn ein Patient an Diabetes oder Krebs leidet, ist eine sofortige MRT ratsam.

Laut "Orientierungshilfe Radiologie" ist beim unspezifischen Kreuzschmerz, um den es sich in etwa 85 Prozent der Fälle handelt, in den ersten vier bis sechs Wochen keine bildgebende Diagnostik indiziert.

Auszug aus der Orientierungshilfe Radiologie zum "Akuten unspezifischen (unkomplizierten) Kreuzschmerz"
Foto: Der Standard

Diese "Orientierungshilfe Radiologie" ist eine medizinische Leitlinie, an der zuweisende Ärzte sich orientieren können, und sie ist juristisch nicht verpflichtend. Sie gibt also vor, wann welche Untersuchung medizinisch indiziert ist. Um sich abzusichern oder auch weil "bildergläubige" Patienten es verlangen, tendieren Ärzte dazu, sich zu schnell für eine MRT-Untersuchung zu entscheiden, auch wenn die Leitlinie es eventuell anders vorsieht.

Um dieses Problem einzudämmen, brauche es laut Experten des Ludwig-Boltzmann-Instituts Fortbildungen zum richtigen Einsatz bildgebender Verfahren für zuweisende Ärzte, intensiveren Austausch zwischen Zuweisern und Radiologen sowie eine breitere Einbindung der Öffentlichkeit, um ein Bewusstsein für das Problem der Überdiagnosen zu schaffen.

Einen negativen gesundheitsökonomischen Effekt hat ein weiteres Phänomen, das mit den langen Wartezeiten auf MRT und CT zu tun hat. Baldt: "Weil die Wartezeiten so lang sind, tendieren Zuweiser dazu, Patienten zum Ultraschall oder Röntgen zu schicken, obwohl diese Untersuchung im konkreten Fall nicht sinnvoll ist." Arzt und Patient seien danach aber beruhigt, weil sich "zumindest schon etwas getan hat". Dieses Vorgehen steigere die Kosten zusätzlich.

Neben medizinischen brauche es laut Czypionka vom IHS auch gesundheitsökonomische Leitlinien. "Eine medizinisch sinnvolle Untersuchung ist nicht automatisch auch gesundheitsökonomisch und gesamtgesellschaftlich sinnvoll. Weil die Mittel begrenzt sind, muss man sich Folgendes überlegen: In welchen Fällen ist der diagnostische Wert so hoch, dass sich die Bezahlung auch rechnet für die gesamte Gesellschaft."

Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger arbeite man laut Rabmer-Koller bereits daran, solche gesundheitspolitischen Leitlinien zu entwickeln. Radiologenvertreter Baldt sieht diese Richtlinien kritisch: "Da unterstellt man uns und den zuweisenden Ärzten, dass wir unnötige Untersuchungen durchführen. Dafür gibt es aber überhaupt keine Anhaltspunkte – sehr oft ergibt sich erst bei der MRT, ob ein Verdacht stichhaltig war oder nicht. Ich halte es für sehr problematisch, wenn ökonomische Gesichtspunkte Vorrang vor den medizinischen Notwendigkeiten erhalten."

Böser Verdacht

Weil Ärzte zu schnell zur MRT überweisen oder andere Therapiemaßnahmen doch wirken, verschwinden bei manchen Patienten nach einer Wartezeit von mehreren Wochen die Beschwerden ganz von allein. Wer aber schon einen Termin vereinbart hat, könnte versucht sein, ihn dennoch wahrzunehmen – sicherheitshalber und weil der Patient selbst nichts zahlen muss.

Um solche Fälle zu vermeiden, schlägt Radiologenvertreter Baldt einen niedrigen Selbstbehalt vor: "Natürlich nicht für all jene, die auch jetzt schon von der Rezeptgebühr befreit sind." Für die Sozialversicherungen kommt ein Selbstbehalt nicht infrage, und auch aus dem Gesundheitsministerium heißt es: "Davon halten wir gar nichts, solche Zugangsbeschränkungen soll es in Österreich nicht geben."

Stattdessen, so die Sprecherin der Gesundheitsministerin, wolle man Radiologen und Hauptverband einladen, um die vertraglichen Unschärfen auszugleichen. "Wir wissen, dass es großen Diskussionsbedarf gibt, wollen aber niemandem die Schuld geben." Wann es zu diesem Treffen kommt, stehe allerdings noch nicht fest. Im Hauptverband will man die Informationen für Patienten und die Transparenz verbessern.

Das geplante elektronische Bewilligungs- und Antragsservice (eBS) soll die Kommunikation zwischen zuweisenden Ärzten und Radiologen in Zukunft aufwerten – letztere könnten damit die Dringlichkeitsstufe einer Untersuchung elektronisch abfragen.

Patientenanwalt Bachinger kritisiert, dass eine gemeinsame Lösungsfindung bisher immer wieder aufgeschoben wurde, und hat einen bösen Verdacht. Wenn Patienten wie der Tischler Walter B. vom System dazu gedrängt werden, die Kosten ihrer Untersuchung selbst zu übernehmen, profitieren beide Seiten: "Die Radiologen bekommen ein zusätzliches Körberlgeld, und die Sozialversicherung freut sich, wenn ein Platz frei wird. Außerdem bekommt ein Patient auch keine Kostenerstattung für ein privat gezahltes MRT." Bachinger glaubt, dass sich die Situation nicht so schnell verbessern wird, "weil beide Vertragspartner gewinnen und kein Interesse daran haben, etwas zu verändern." (Bernadette Redl, Cure, 8.4.2016)