Arbeiten jenseits geschützter Werkstätten: Robin Schöndorfer sortiert und verpackt für eine Firma Werbematerialien.

foto: lebenshilfe salzburg

Salzburg – Arbeit macht Freude, ist sinnstiftend und kann ein wichtiger Beitrag zur sozialen Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen sein. Seit November sind zehn von dem Salzburger Verein Lebenshilfe betreute Menschen bei der Personalvermittlungsfirma Teampool im Flachgauer Seekirchen beschäftigt. Sie sortieren Werbemittel und verpacken diese. Ein ähnliches Modell gibt es bei einem Betrieb für Reinigungstechnik.

Der Wermutstropfen dabei: Alle sind nur auf geringfügiger Basis beschäftigt. Würden sie mehr verdienen, würden sie aus der Behindertenbeihilfe des Landes fallen, sagt Vereinssprecherin Claudia Tomasini. Nicht zuletzt diese Konstruktion in dem von 1981 stammenden Salzburger Behindertengesetz führe dazu, dass die meisten der Lebenshilfe-Klienten nur für ein Taschengeld von etwa 100 Euro im Monat arbeiten können. 200 der 740 von der Lebenshilfe Betreuten sind so bei Firmen oder Gemeinden tätig – nur unfallversichert, ohne sonstige sozialversicherungsrechtliche Ansprüche.

Dass es auch anders gehe, zeige das Vorarlberger Projekt "Spagat", sagt Tomasini. Bei diesem Inklusionsprojekt werden Behinderte angestellt, der Betrieb bezahlt aber nur die tatsächlich erbrachte Leistung. Die Differenz auf das kollektivvertragliche Entgelt – maximal 1.000 Euro monatlich – legt das Land dazu. Insgesamt nehmen in Vorarlberg bereits rund 300 Menschen an dem Arbeits- und Inklusionsprojekt teil.

"Keine Selbstbestimmung"

Von solchen Fortschritten können die Salzburger nur träumen. Denn auch in der von Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) vor einigen Wochen vorgelegten Novelle zum Behindertengesetz seien solche Projekte nicht vorgesehen, kritisiert man bei der Lebenshilfe. Es sei eben in Österreich "immer noch eine Frage des Glücks, wo man auf die Welt kommt", so Tomasini.

Auch Lebenshilfe-Geschäftsführer Guido Güntert sieht in der Gesetzesnovelle wenige Fortschritte. Generalkritikpunkt aus seiner Sicht: "Das zentrale Grundprinzip der UN-Behindertenrechtskonvention – die Selbstbestimmung im Rahmen der Möglichkeiten – spiegelt sich im Landesgesetz in keinster Weise wider."

Weiterhin keine freie Wohnortwahl

Als Beispiel für die Selbstbestimmung nennt Güntert die Wohnplatzwahl. Auch weiterhin werde Menschen mit Beeinträchtigungen ein Wohnort zugewiesen, Mitbestimmung sei im neuen Gesetz nicht vorgesehen.

Ähnlich die Beurteilung durch die gesetzliche Bewohnervertretung des Vereins Vertretungsnetzwerk. Die Novelle enthalte vor allem Änderungen in der "Terminologie", es gebe keinen "Paradigmenwechsel" und "keine Verbesserungen für die betroffenen Menschen", sagt die stellvertretende Bereichsleiterin für Salzburg und Tirol, Alexandra Niedermoser.

Inklusionsbeirat "wenig glaubwürdig"

Der von Schellhorn – er war urlaubsbedingt für eine Stellungnahme nicht erreichbar – als "Kernstück" bezeichnete "Inklusionsbeirat", in dem auch Betroffene sitzen, ist für Niedermoser wenig glaubwürdig. Dieser habe "keine durchgreifenden Kompetenzen, und seine Unabhängigkeit ist aufgrund der organisatorischen Nähe zum Land fraglich".

Im Kern dürfte sich der neue Gesetzesinhalt vom Text des Jahres 1981 jedenfalls wenig unterscheiden. Ein Beispiel von vielen: Die Feststellung der Behinderung und der notwendigen Maßnahmen solle weiterhin nur durch die Ärzte des Landes erfolgen. Die Beiziehung anderer Experten wie etwa Sonder- oder Heilpädagogen sei nicht vorgesehen, kritisiert Niedermoser. (Thomas Neuhold, 29.3.2016)