Ein Ziesel im Yosemite-Nationalpark im US-Bundesstaat Kalifornien.

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Wien – Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen, und die Zieselpopulation hinter dem Heeresspital in Wien-Floridsdorf ist aus dem Winterschlaf erwacht. Das ist für die Bauträger, die auf dem Areal 950 geförderte Wohneinheiten errichten wollen, der Startschuss für die Bodenabtragungen.

Mit diesen sollen die EU-weit streng geschützten Vierbeiner, die das Bauprojekt seit Jahren verzögern, umgelenkt werden. Sie dürfen dabei allerdings nicht grob gestört werden, weshalb nur zwei Zeitfenster infrage kommen: April und Juli. Auf jenem Drittel der Baufläche, das bereits weitgehend zieselfrei ist, darf nun also die Grasnarbe abgetragen werden – so bewilligte es die Wiener Umweltschutzabteilung MA 22.

Baumaßnahmen ab Ende Juli

Zieselbaue, die dabei entdeckt werden, müssen händisch abgetragen werden. Wenn sichergestellt sei, dass sich kein Tier mehr auf der Fläche befindet, werde – im Juli – der Humus abgetragen, sagt der mit der ökologischen Aufsicht des Bauprojekts betraute Ziviltechniker Thomas Knoll zum STANDARD. Er geht davon aus, dass ab Ende Juli mit den ersten Baumaßnahmen für die künftigen Wohnhäuser begonnen werden kann – etwa 140 Wohneinheiten sowie der Kindergarten sollen auf dieser Teilfläche entstehen.

Die Bürgerinitiative IGL Marchfeldkanal kündigte Protestmaßnahmen an: Man wolle "mehrere hundert" Personen mobilisieren, um die geplanten Baggerungen zu verhindern, sagt Lukas Mroz von der Bürgerinitiative zum STANDARD. Die Ziesel würden von der Teilfläche vertrieben, ihr Lebensraum zerstört, obwohl unklar sei, ob sie die Ersatzflächen annehmen würden.

Brutstätte wird zerstört

2013 beauftragten die Bauträger – Kabelwerk GmbH und Donaucity Wohnbau AG – eine Verhaltensforscherin damit, die Tiere, die EU-weit im Rahmen der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) streng geschützt sind, "sanft umzulenken". An den Baugrund angrenzende Flächen wurden angekauft und für die Tiere so attraktiv gestaltet, dass sie freiwillig dorthin wandern sollen. Dafür könnten sie sich aber mehrere Jahre Zeit lassen. Die jetzigen Bodenabtragungen auf der ersten Teilfläche des Baugrunds sollen den Prozess beschleunigen.

Die "Brut- und Vermehrungsstätte" der Ziesel werde "zerstört", damit sie sich dort nicht mehr ansiedeln, sagt Knoll. Dabei werde im Bescheid der MA 22 die EU-Richtlinie, die die Zerstörung des Ziesel-Lebensraums verbietet, eingehalten. Denn diese sehe die Möglichkeit von Ausnahmebewilligungen vor, wenn das öffentliche Interesse überwiegt und es keine anderen Lösungsvarianten gibt. Knoll glaubt, dass das von der EU-Kommission gegen Österreich eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren nun eingestellt wird.

Antrag auf Baustopp

Dem widerspricht Mroz: Die Bürgerinitiative habe die EU-Kommission über ihre Kritikpunkte am aktuellen Bescheid der MA 22 informiert. Unterstützung gibt es von den Wiener Neos: Sie wollen Ende April im Gemeinderat einen Antrag auf einen Baustopp stellen, der so lange in Kraft sein soll, bis die EU-Kommission den Bescheid geprüft hat, sagt Umweltsprecherin Bettina Emmerling.

Auch FPÖ, ÖVP und Grüne stellen sich auf die Seite der Bürgerinitiative: Die Umweltsprecher der drei Wiener Fraktionen nahmen an einer von der IGL Marchfeldkanal organisierten Demonstration Teil, die am Sonntag rund um das Floridsdorfer Zieselfeld stattfand. Laut Veranstalter nahmen rund 300 Zweibeiner daran teil. (Christa Minkin, 5.4.2016)