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Foto: reuters/CARLOS JASSO

Viele werden dieses Gefühl kennen, das einen manchmal auf der Landstraße überkommt. Wenn kaum Fahrzeuge unterwegs sind, die Sicht gut und die Strecke kurvenfrei ist, steigt schon einmal die Verlockung, aufs Gas zu drücken. Warum sich an die 100-km/h-Begrenzung halten, wenn kein anderer Mensch durch die höhere Geschwindigkeit einem Risiko ausgesetzt wird?

Dass die Polizei in solchen Fällen die Raserei dennoch bestraft, hat gute Gründe. Träfen alle im Straßenverkehr nur noch ihre eigene Risikoabschätzung, gäbe es mehr Unfälle. Mehr Menschen kämen zu Schaden. Die abstrakte Gefährdung anderer ist ausreichend, um bestraft zu werden.

"Abstrakte Gefährdung" – dieses Stichwort führt zu den Enthüllungen aus den Panama Papers. Immer mehr prominente Sportler, Politiker, Oligarchen und reiche Privatpersonen tauchen in den Medien im Zusammenhang mit dem Vorwurf auf, Steuern über Panama hinterzogen oder Gelder dort gewaschen zu haben. Bisher steht nicht fest, ob strafrechtlich Relevantes an den Betroffenen hängen bleiben wird. Doch unabhängig davon ist es an der Zeit, Lehren aus der Affäre für die Zukunft zu ziehen. Zu diesen sollte gehören, Finanzgeschäfte mit Gesellschaften und ihren Tochterfirmen aus nicht kooperationswilligen Steueroasen wie Panama zu verbieten, so wie das der Chef der Finanzmarktaufsicht Helmut Ettl in der ZiB 2 gefordert hat.

Die Industriestaatenorganisation OECD oder die EU-Kommission sollten eine schwarze Liste von Ländern ausarbeiten, die keine Transparenz erlauben, aber Nährboden für Briefkastenfirmen sind. Diese Staaten gehören sanktioniert. Sollten diese Arbeiten zu lang dauern, wäre es überlegenswert, ob Österreich und andere willige Länder nicht allein voranschreiten.

In einer liberalen Gesellschaft dürfen Verbote und damit einhergehende Strafen nie leichtfertig ausgesprochen werden. Notwendig ist immer eine genaue Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen. So auch hier. Auf der einen Seite gibt es legale Gründe und Wege, um sein Vermögen in einer Steueroase zu verstecken. Man denke an einen Privatmann, der nicht möchte, dass Angehörige im Fall von Familienstreitigkeiten Zugriff auf sein Geld bekommen. Zugleich schädigen Schwarzgeldoasen ganze Länder, weil dort Milliarden an möglichen Steuereinnahmen versickern. Das wiegt deutlich schwerer.

Das Problem ist, dass die Unterscheidung zwischen Handlungen, die andere Menschen schädigen, und legalen Geschäften im Falle intransparenter Finanzplätze wie Panama kaum möglich ist. Das Wesen von Steueroasen ist fehlende Transparenz – die Strafbehörden kommen also vielfach nicht an die richtigen Informationen heran, um die entscheidenden Sachverhalte überhaupt klären zu können.

Hier kommt die abstrakte Gefährdung ins Spiel: Auch wenn es subjektiv gute Gründe geben mag, sein Geld nach Panama, auf die Caymans oder die British Virgin Islands zu schaffen, wiegt die Gefahr schwerer, die von diesen Finanzplätzen für ganze Gesellschaften ausgeht. Schwarze Listen können aus rechtlichen wie politischen Gründen nur kleine Länder außerhalb der EU treffen, mag man nun einwenden. Es gibt auch andere Oasen. Aber wird an einer Stelle der Druck erhöht, besteht Hoffnung, dass ein breites Umdenken einsetzt.

Der freie Kapitalverkehr ist ein hohes Gut. Doch wer davon profitieren will, muss sich an Spielregeln halten.

(András Szigetvari, 7.4.2016)