Im Café Immico suchen junge Gründer Sprungbretter für ihre Ideen.

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Wien – Oksana Stavrou verdrängt die ersten schwierigen Jahre gern. Hätte sie den hohen Aufwand vorhergesehen, so hätte sie wohl vor dem Schritt in die Selbstständigkeit zurückgeschreckt. "Die größte Herausforderung war, alles unter einen Hut zu bringen: Kinder, Arbeit und Studium."

Die junge Juristin zog vor zwölf Jahren aus der Ukraine nach Österreich. Hier machte sie ihr Gerichtsjahr, arbeitete für ein Versicherungsunternehmen, gründete eine Familie und ihren eigenen kleinen Betrieb. Unter der Marke Raincombi lässt sie in Europa Regenbekleidung für Radler fertigen. "Ich wollte etwas Neues in meinem Leben ausprobieren, und ich wusste, wenn ich es nicht jetzt mache, mache ich es gar nicht mehr."

Verkauft wird online und über Händler in Deutschland und Österreich. Reich ist sie damit nach fünf Jahren unermüdlichen Einsatzes nicht geworden, aber mittlerweile trage sich ihr Unternehmen selbst, erzählt Stavrou. Was es nun jedoch brauche, seien strategische Partner, die bei der Vermarktung helfen, und Kooperationen, um die Kosten zu reduzieren.

Stavrou sucht Sprungbretter für Raincombi im Café Immico. Es ist ein Treffpunkt für junge Start-ups mit Migrationshintergrund. Business-Angel Ahmad Majid initiierte das Projekt heuer in Wien. Der gebürtige Pakistaner lebt seit mehr als 30 Jahren in Österreich und lehrt an der Webster University.

"Viel Know-how"

Majid bringt Jungunternehmer mit Beratern, Geldgebern und Industriellen an einen Tisch. Bei regelmäßigen Treffen werden Pläne auf ihre Tragfähigkeit abgeklopft, Erfahrungen ausgetauscht und Lösungen erarbeitet.

"Du hast viel Know-how, aber ich sehe dein Produkt nicht. Was ist deine Kernkompetenz?", fragt da etwa Armin Hrdlicka, Chef des Innovationsbüros, einen jungen Filmemacher, den es von Indien über Kanada und die USA nach Österreich zog. In Werbespots für neue soziale Medien abseits des teuren Fernsehens will er Geschichten seiner Kunden erzählen. Doch wo diese finden? "Mach ein fertiges Produkt, das du herzeigen kannst", rät Hrdlicka.

Verliebt in ihre Idee

Viele Gründer seien verliebt in ihre Idee, glaubten, dass der Markt nur auf sie wartet, meint er später. Mit Kundenbedürfnissen setzten sie sich oft weitaus weniger auseinander. Was ihn selbst an Projekten mit multikulturellen Wurzeln reizt? "Die Leute hier wollen kein Leben als Beamte führen, sondern mit ihren Händen etwas schaffen."

Kasia Greco hat in den vergangenen Jahren an die hundert Ideen von der Entstehung bis zur Realisierung begleitet, die Hälfte davon von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Wienerin, die sechs Sprachen spricht, vergleicht die Österreicher gern mit Löwen, die es sich in ihrem Gehege gemütlich machten.

"Wir haben eine Kultur, in der oft mehr zählt, wer ich bin, als das, was ich kann." Sie mache unter Jungen mit internationalen Wurzeln mehr Ehrgeiz aus, nennt sie flinke Gazellen. "Sie wollen ihren Kindern einmal was bieten. Unsere Kinder haben alles."

Aus eigener Kraft

Greco berät Andra Slaats, eine gelernte Dolmetscherin, die in Österreich im Exportmanagement arbeitete. Die gebürtige Rumänin erzählt auf Textilien die Geschichte erfolgreicher Migranten. Ihr Ziel: mit Younited Cultures eine positive internationale Marke für sie zu schaffen. Viele Migranten seien risikobereiter, hätten weniger Angst zu scheitern, sagt sie. "Es geht darum, sich aus eigener Kraft einen Lebensunterhalt aufzubauen."

Mit ihrer Kollegin Iulia Mugescu hat Slaats mit Younited Cultures Preise gewonnen, Kapital über Crowdfunding generiert und viel Medienpräsenz erreicht. Doch leben können die zwei davon nicht: Bisher lassen sich nur die Fixkosten decken. Nun wird ein Partner gesucht, der bereit ist, dem Betrieb erst einmal auch ohne Salär unter die Arme zu greifen.

Sich auf was Neues einlassen

Rund ein Drittel der Gründer in Wien habt Eltern, die nicht hierzulande geboren sind. Sie stehen vor den gleichen Problemen wie andere Start-ups auch. Für zusätzliche Barrieren sorgen mitunter jedoch die Sprache, Arbeitsgenehmigungen, fehlendes Wissen um kulturelle Feinheiten und österreichische Marktmechanismen.

Doch wer emigriert und sich auf ein neues Leben einlässt, ist eher bereit, sich auch auf Unternehmertum einzulassen. Dieses Resümee lässt sich aus einer aktuellen Studie der Wiener Wirtschafts-Uni ziehen. Migranten könnten wichtige Quellen für Entrepreneurship sein, sagt Peter Vandor, Leiter des Social Entrepreneurship Centers: Interkulturelle Erfahrungen stärkten die Fähigkeit, unternehmerische Gelegenheiten zu entdecken.

Breiteres Blickfeld

Michael Malik und Daniel Jan Ziolkowski – beide TU-Studenten, Eltern aus Polen, aufgewachsen in Österreich – arbeiten seit einem Jahr an einem Reinigungsservice. Dieser Tage ging ihr "Waschbote" nach dem Testlauf online. Ihre Logistiksoftware bieten sie, wie sie im Café Immico erzählen, auch anderen Start-ups an.

Sie waren im falschen Gewerbe, erzählen sie der kleinen Runde im Café Immico. Ihr Mentor Hrdlicka half, den bürokratischen Dschungel zu durchblicken. "Wir wollen was aufbauen, sehen, wie es funktioniert und davon leben können", sagen sie. Er komme aus einer Familie der Selbstständigen, kenne die Vor- und Nachteile des Unternehmertums, ergänzt Ziolkowski.

Migration erleben die zwei im Geschäft als Vorteil. "Jeder Markt tickt anders. Man wächst einfach mit einem breiteren Blickfeld auf."

Latzhose, die mitwächst

Raincombi-Gründerin Stavrou jedenfalls kann sich nach den vielen Jahren als Jungunternehmerin eine Rückkehr ins Angestelltendasein nicht mehr vorstellen. Sie habe dadurch so viel Neues entdeckt, nicht nur um sie selbst herum, sondern vor allem auch neue Leidenschaften in ihr. "Ich habe die Chance, damit mein Leben selbst zu beeinflussen."

Neue Geschäftsideen gehen ihr nicht aus. Derzeit kreisen ihre Gedanken um eine fair und umweltgerecht produzierte mitwachsende Latzhose für Kinder. (Verena Kainrath, 12.4.2016)