Jetzt kommen die neapolitanischen Teigfladen auch am Beginn der Favoritenstraße aus dem Holzofen geschossen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

An der neuen Adresse lassen sich auch Pizzen der kreativ belegten Art entdecken.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fenster an drei Fronten, 115 Sitzplätze, handbemalte Fliesen und ein Schanigarten der imposanten Art: Man will sich gar nicht vorstellen, was der Umbau der vormaligen Redaktionsräume von "The Gap", "Vice" und "Biorama" zum Pizzapalast samt Holzofen und entsprechender Lüftung gekostet hat. Geleistet hat ihn sich der Wiener "Schuhkönig" Alessandro d'Ambrosio, väterlicherseits Neapolitaner und mit der Riva am Schlickplatz sowie der Freiluftpizzeria auf der Summerstage schon seit Jahren ein Hauptinitiator des Pizzahypes, den Wien in den vergangenen Jahren erleben durfte.

Pizza ist in Neapel bekanntlich nicht bloß Essen, sondern, wiewohl rot- statt grün-weiß, Religion. Die Riva-Pizzerien sind auch die einzigen in Wien, die den Gralshütern der Associazione Verace Pizza Napoletana – so was gibt es tatsächlich – authentisch genug für eine offizielle Zertifizierung sind.

Kreativ belegte Pizzen

Nicht unwahrscheinlich, dass dies bei der neuen Location an der Kreuzung Favoriten- und Gusshausstraße ebenso ist, immerhin hat d'Ambrosio sich für die Eröffnung einen der Botschafter der Assoziation als Consigliere geholt. Seit Wochen knetet der mit der Mannschaft Teig, prüft Zutaten und regt, quasi nebenbei, ein paar ziemlich nette Pizzavarianten an.

Im Vergleich zur eher orthodoxen Auswahl am Schlickplatz lassen sich an der neuen Adresse nämlich auch Pizzen der kreativ belegten Art entdecken. Aber schön der Reihe nach: Aufgesperrt wird schon zu Mittag, neben Pizza gibt es dann auch ein kleines Buffet mit ziemlich aufwendig komponierten Salaten. Für hinterher sollte man sich mittags wie abends Platz lassen, mit Annalisa Oppidisano wird nämlich eine kaum 30-jährige Kalabresin dafür beschäftigt, ausschließlich Torten und Kuchen zu backen – Torta di Mandorle war großartig, jene mit Schokolade und Birne überhaupt der Wahnsinn.

Neapolitanische Pizza ist zuallererst eine Sache des Teiges. Wer ihn nur knusprig mag, ist in Neapel falsch – dafür reichen die knapp 90 Sekunden, die der Fladen in der brüllenden Hitze des Holzofens verbleibt, niemals aus. Aber elastisch muss er sein, und ganz langsam geführt.

In der Riva Favorita darf er 30 Stunden gehen und keinen Kühlschrank, kein Kühlhaus von innen sehen. Sechs Gramm Germ arbeiten sich in dieser Zeit durch 26 Kilo Mehl. Die wilde Blasen werfende Luftigkeit des Cornicione steht danach in sattem Kontrast zur hauchdünnen Basis.

Tolle Tomaten

Und erst die Zutaten: Bei den kostspieligen "Riva Speciale"-Pizzen lohnen sich jene ganz besonders, deren Paradeiserbasis aus Pomodorini del Piennolo D.O.P. besteht, einer raren Sorte Traubenparadeiser, deren Aroma einen umhaut. Oder jene, auf der Parmigiana di Melanzane, der göttliche Auberginen-Paradeiser-Käse-Gatsch, verteilt wird. Schaut aus wie ein Schlachtfeld, schmeckt grenzgenial.

Ripieno con Scarole, eine Calzone mit geräuchertem Mozzarella (Provola), geschmorter Endivie, Cetara-Sardellen und Kapern zündet ein cremig-rauchiges Umami-Feuerwerk. Ripieno Casareccio mit Ricotta, Provola, Ciccioli und Pfeffer reicht kalorientechnisch für zwei, die knusprigen Geschmacksexplosionen, die einem die Ciccioli-Fleischgrammeln im Overkill der Käsecreme bereiten, sind dafür unwiderstehlich.

Espresso aus einer exzellent eingestellten San Marco kommt von der neapolitanischen Passalacqua-Rösterei, den sollte man tunlichst an der Budel trinken: Bei der Größe des Lokals könnte es sonst dauern, bis er den Weg zum Tisch findet. Und das wäre bei dieser Art von Kaffee sehr schade. (Severin Corti, RONDO, 15.4.2016)