Jeder soll auf die neuen Gebärden zugreifen können, deshalb werden sie auf Video aufgezeichnet und online gestellt.

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Was heißt "Endoplasmatisches Retikulum" oder "Partialbruchzerlegung" in der Gebärdensprache? Gehörlose Studenten müssen diese Begriffe bislang durch Buchstabieren beschrieben werden. Doch das sei keine befriedigende Lösung, ist man bei der Wiener Servicestelle "gehörlos erfolgreich studieren" (GESTU) überzeugt und entwickelt Gebärden für Fachbegriffe aus verschiedenen Disziplinen.

Die Servicestelle GESTU unterstützt gehörlose Studenten an Wiener Universitäten mit verschiedenen Maßnahmen. Laut Marlene Fuhrmann-Ehn, Behindertenbeauftragte der Technischen Universität (TU) Wien, werden Dolmetschdienste etwa in Gebärdensprache organisiert, Tutorien angeboten und Lehrveranstaltungen aufgezeichnet.

"Dabei sind wir immer wieder auf das Problem gestoßen, dass es bestimmte Fachbegriffe in der Gebärdensprache einfach nicht gibt", sagt GESTU-Beraterin Karin Moser. Die Experten begannen daher ab 2011 gezielt, wichtige Fachbegriffe zu sammeln und passende Gebärden dafür zu entwickeln. "Uns war es wichtig, den Prozess sprachwissenschaftlich zu begleiten", so Fuhrmann-Ehn. Damit sollten Gebärden entwickelt werden, die allgemein als gültig anerkannt werden.

Abstimmung mit gehörlos Geborenen

Dazu mussten – u.a. auch in Abstimmung mit "Native Signers", also gehörlos Geborenen, deren Muttersprache die Gebärdensprache ist – verschiedene Fragen geklärt werden: Gibt es bereits ähnliche Gebärden für andere Wörter, passt die Gebärde in den wissenschaftlichen Kontext oder ruft sie informell-unwissenschaftliche Assoziationen hervor, besteht die Gebärde aus zu vielen einzelnen Handbewegungen, etc.? So wie in gesprochenen Sprachen bestehende Termini übernommen werden, behilft man sich auch bei Gebärden zum Teil mit der Übernahme aus anderen Gebärdensprachen.

Die gemeinsam entwickelten und gesammelten Gebärden werden auf Video aufgezeichnet und online gestellt. So können die Gebärden von Gehörlosen diskutiert werden. Mittlerweile gibt es ein Fachvokabel-Lexikon mit ungefähr 2.000 Begriffen, das ständig erweitert wird. Fuhrmann-Ehn ist es wichtig, dass jeder auf die Gebärden zugreifen kann, etwa Lehrer, die mit gehörlosen Kindern arbeiten. Zudem hofft man bei GESTU, mit dem Projekt Gebärdensprache in der Gesellschaft "als etwas ganz Normales zu verankern", als eine von vielen in Österreich gesprochenen Sprachen, die für alle Bereiche des Lebens geeignet ist". (APA, 13.4.2016)