Dokumentation einer Ausgrabung per 3-D-Laserscanner in Schweden.

Foto: Petra Schneidhofer

Flugzeug ausgerüstet mit Laserscanner und Hyperspektralscanner.

Foto: LBI ArchPro/Geert Verhoeven

Sichtbares Licht (links) und Nahes Infrarot, NIR (rechts) vom selben Areal in Portus, Italien. Viele Strukturen sind nur im NIR-Bereich erkennbar.

Foto: Portus Project/Geert Verhoeven

Großflächige geophysikalische Prospektion in Carnuntum, Niederösterreich.

Foto: 7reasons/LBI ArchPro

3-D-Rekonstruktion der neolithischen Kreisgrabenanlage Hornsburg im Kreuttal, Niederösterreich.

Foto: LBI ArchPro/Juan Torrejón-Valdelomar

Wenn ich Bekannten erzähle, dass ich Archäologin bin, kommt oft die Frage: "Und was gräbst Du so aus?" Dicht gefolgt von: "Hast Du schon mal was Wertvolles gefunden?" Es ist dann nicht immer einfach, meinem erwartungsvollen Gegenüber zu erklären, dass ich schon länger weder Pinsel noch Spaten in der Hand hatte. Ich grabe an meinem Forschungsinstitut, dem Ludwig-Boltzmann-Institut Arch Pro, sozusagen virtuell am Computer aus.

Im letzten Jahrzehnt ist die Archäologie endgültig im digitalen Zeitalter angekommen. Wie in vielen anderen Bereichen auch, hat die exponenzielle Vervielfachung von Rechenleistung und deren Leistbarkeit die Methoden unseres Faches grundlegend verändert. Gut zu erkennen ist das zum Beispiel an der Art, wie wir Ausgrabungen dokumentieren. Während früher mit Zeichenbrett, Bleistift und Maßband relativ zeitaufwendig zweidimensionale Pläne unserer Befunde angefertigt wurden, greifen wir heute zunehmend auf modernste Vermessungstechnologien wie das Laserscanning oder das sogenannte Image-based Modeling zurück. Damit können am Computer zentimetergenaue 3-D-Modelle generiert werden – das Ergebnis sind detailgetreue und realistische Abbildungen unserer Grabungen.

Virtuell Wälder abholzen

Durch die Digitalisierung haben sich auch unsere Untersuchungsgebiete vergrößert. Waren Archäologen früherer Generationen oft auf wenige einzelne Fundorte fokussiert, geht der Trend mittlerweile dahin, ganze Landschaften auf ihre Entwicklung und archäologische Bedeutung hin zu untersuchen. Möglich wird das durch den Einsatz von Methoden, die wir uns aus der Fernerkundung ausgeborgt haben. Eine der wichtigsten Methoden ist dabei ALS, das "Airborne Laser Scanning". Beim ALS tastet ein flugzeuggetragener Scanner durch Laserstrahlen die Erdoberfläche ab. Die daraus resultierenden digitalen, hochauflösenden Geländedaten lassen sich mithilfe von spezieller Software gezielt manipulieren. ALS ermöglicht es meinen Kollegen am LBI Arch Pro beispielsweise, virtuell ganze Wälder abzuholzen und am Computer den darunterliegenden Boden nach Grabhügeln oder Siedlungsspuren abzusuchen, die man heute kaum mehr im Gelände erkennen kann.

Etwas komplexer gestaltet sich das Ganze, wenn archäologische Strukturen im Laufe der Jahrtausende völlig vom Erdreich überdeckt wurden. Hier setzt die archäologische Prospektion an. Dieser Teilbereich der Archäologie zielt darauf ab, menschliche Hinterlassenschaften im Boden zu finden, genauestens zu kartieren und anschließend zu interpretieren. Das heißt, wir versuchen, die so entdeckten Strukturen in einen archäologischen Kontext zu stellen. Das Grundprinzip der Prospektion ist dabei folgendes: Archäologische Strukturen im Boden besitzen zumeist andere physikalische Eigenschaften als das Erdmaterial, das sie umgibt und überdeckt. Die Prospektion macht sich diese zuweilen sehr feinen Unterschiede in Korngröße, chemischer und mineralogischer Zusammensetzung oder auch Bodenfeuchte zunutze und versucht mit verschiedenen Methoden, diese Unterschiede sichtbar zu machen.

Die römische Mauer unter der Pflanze

Die Luftbildarchäologie, bei der Bilder aus größerer Höhe, zum Beispiel aus einem Flugzeug heraus oder mittels einer auf einer Drohne montierten Kamera aufgenommen werden, verfolgt dabei einen sehr interessanten Ansatz. Pflanzenwachstum wird unmittelbar durch den Untergrund beeinflusst. Liegt darunter beispielsweise eine römische Mauer begraben, stehen der Pflanze weniger Nährstoffe und weniger Wasser zur Verfügung. Sie wächst dadurch langsamer und verfärbt sich anders als die Artgenossen um sie herum, die lediglich Erdmaterial im Bereich ihrer Wurzeln vorfinden. Mittels Luftbildern können diese Unterschiede im Bewuchs auf Wiesen und Feldern aufgespürt und dokumentiert werden.

Immer öfter kommen dabei auch Hyperspektralbilder zum Einsatz. Letztere bilden nicht nur den für das menschliche Auge sichtbaren elektromagnetischen Wellenbereich ab, sondern darüber hinaus auch das infrarote Spektrum. Die Informationen werden dabei in vielen unterschiedlichen spektralen Kanälen bereitgestellt. Damit können noch feinere Kontraste in der Vegetation sichtbar gemacht werden. Luftbildarchäologie funktioniert übrigens nicht nur bei römischen Mauern, sondern auch bei Siedlungsresten und Gräbern aus der Urgeschichte.

Nach etwas anderen Prinzipien arbeitet die geophysikalische Prospektion. Hier kommen verschiedenste Methoden zum Einsatz. Die Geomagnetik misst lokale Veränderungen im Erdmagnetfeld, die oft durch Feuereinwirkung entstehen. Etwa Öfen, Keramik, Metalle, Feuerstellen – alles sehr gute Indikatoren für archäologische Fundstellen. Das Bodenradar wiederum sendet elektromagnetische Impulse in den Boden und zeichnet die wiederkehrenden Signale auf, wenn diese an unterschiedlichen Materialien im Untergrund reflektiert werden. Früher wurden unsere Messgeräte von Hand über den Boden gezogen oder getragen. Heute kann man auf motorisierte Systeme zurückgreifen, die so mehrere Hektar pro Tag ohne Eingriff in den Boden archäologisch untersuchen können. Die daraus resultierenden, oft riesigen Datensätze werden mittels spezieller Software in Bilder umgewandelt und anschließend interpretiert.

Möglichst wenig ausgraben

"Wo bleibt denn da der Spaß?", werde ich dann manchmal gefragt, "Archäologie ohne Ausgrabung, das klingt wie die Nationalmannschaft ohne Alaba." Es gibt allerdings einige gute Gründe dafür, möglichst wenig auszugraben. Der wichtigste Grund aus denkmalpflegerischer Sicht bezieht sich auf die Tatsache, dass jede archäologische Ausgrabung die Zerstörung der Fundstelle mit sich bringt. Ganz ohne Spaten kommen wir mit den hier vorgestellten Methoden allerdings noch nicht aus. Mit den Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung der Archäologie eröffnet hat, können wir jedoch wesentlich gezielter ausgraben, um ganz bestimmte Fragestellungen zu beantworten, Proben zu nehmen, und unsere Fundstellen zu datieren.

Diese Entwicklung in der Archäologie bringt auch eine immer größer werdende Menge an Daten mit sich. Neben der eigentlichen wissenschaftlichen Auswertung wird diese Fülle an Informationen vor allem für 3-D-Rekonstruktion eingesetzt. Hier bündeln sich im Idealfall die Ergebnisse aus Prospektion und gezielter Ausgrabung und ergeben ein virtuelles Gesamtbild der untersuchten archäologischen Landschaft.

Neue Möglichkeiten

Durch den teilweise rasanten technologischen Fortschritt ist und bleibt die Archäologie eine spannende und moderne Wissenschaft. Der Einsatz der hier vorgestellten computergestützten, zerstörungsfreien Methoden, wie sie vom LBI Arch Pro entwickelt und angewandt werden, eröffnet uns neue Möglichkeiten in der Erforschung der menschlichen Vergangenheit und erlaubt es uns gleichzeitig, archäologische Hinterlassenschaften für kommende Generationen zu bewahren – sei es in physischer oder digitaler Form. (Petra Schneidhofer, 21.4.2016)