Schwarzwald – Karl Pfeifer. Der wird Ihnen jetzt vielleicht auf die Schnelle nichts sagen. Aber an den musste ich unweigerlich denken, als ich mit dem W 120 Ponton in die Steilkurve einbog.

Na, warten Sie. Wenn ich Alvorada sage, dann klingelt es, gell? Die legendäre Fernsehwerbung der 1980er-Jahre. Karl Pfeifer als Taxler in einem Ponton-Mercedes, auf der Rücksitzbank Inge Prosel als Dame, die sich auf den Kaffee daheim freut. Der Rest ist eine legendäre Verfolgungsjagd. Noch dazu ohne Verfolger. Auf der Höhenstraße. Diesen Szenen konnte nicht einmal Kottan im Taunus das Wasser reichen.

Der Ponton-Benz war in den 1980ern nicht mehr sehr begehrt. Heute hingegen schaut das ganz anders aus.
Foto: Daimler

Karl Pfeifer – oder wohl viel mehr sein Fahrdouble – fährt den Ponton-Benz ohne Rücksicht auf Verluste über die Höhenstraße. Der Wagen war in den 1980ern so etwas wie der Urmeter der biederen Mobilität und des heruntergekommenen Taxlertums.

Ganz schön steil

Welch Wunderwerk der Wagen zu seiner Zeit aber gewesen sein muss, erkennt man heute am Eingang der Steilkurve auf der Mercedes-Teststrecke in Sindelfingen.

Wenn gerade jemand Respekt vor dem sich aufbäumenden Asphalt hat, dann ist das nicht der 180 a Ponton. Mehr als 20 Sekunden braucht der fast 50 Jahre alte Benz, um von 0 auf Tempo 100 zu kommen. Spitze: 135 km/h. Aber in der Steilkurve liegt er fast wie ein aktueller Wagen.

W 191, MB 170 DS

Ein Kunststück, das sogar sein Vorgänger, der W 191, schafft. In dem Fahrzeug baute Mercedes-Benz erstmals einen Dieselmotor in die obere Mittelklasse ein. In den 1950er-Jahren war das eine wahre Sensation. 40 PS leistete der Selbstzünder. 56 Sekunden brauchte er, um seine Höchstgeschwindigkeit von damals stolzen 100 km/h zu erreichen.

Der W 191 kam 1952 auf den Markt.
Foto: Daimler

Das Erwähnen der Leistungsdaten ist aber eigentlich unsinnig. Was wirklich zählt, ist, wie einfach sich der inzwischen 60 Jahre alte Wagen fahren lässt.

Wer auch nur ein wenig Affinität zum Thema Autofahren hat, wird erstaunt sein, wie alltagstauglich der 170 DS heute noch ist. Lediglich jene, die ein Fahrzeug nur bewegen, um von A nach B zu kommen, werden diverse aktuelle Komfortfeatures wie Touchscreen, Freisprecheinrichtung, Klimaanlage oder elektrische Fensterheber vermissen.

Vier Gänge, kein Zwischengas

Fahren aber können sogar die Banausen den Wagen, so einfach geht das. Ohne Zwischengas wechselt man die vier Gänge, ohne Einparkassistent manövriert man ihn in Lücken, weil man schlicht sieht, wo er endet. Gleichzeitig ist das Fahrwerk eine außergewöhnlich gelungene Mischung aus Komfort und Direktheit, sodass man selbst mit diesem alten Herren in Sindelfingen mit einem Tempo in die Steilkurve einbiegt, wie man es mit manch einem jüngeren Konkurrenzmodell nicht wagen würde.

Die aktuelle E-Klasse kommt der S-Klasse optisch schon recht nahe.
Foto: Daimler

Komfort, der aber kein wenig an Sportlichkeit vermissen lässt, das wird wohl das Markenzeichen der E-Klasse sein, das sich in den automobilen Geschichtsbüchern halten wird. Das ist heute noch so. Die aktuelle E-Klasse steht der S-Klasse sowohl in Design als auch in Komfort und Sicherheit kaum noch nach. Gleichzeitig ist der Wagen so erstaunlich agil und wunderbar direkt, dass man mitunter meint, in einem aktuellen Sportcoupé zu sitzen.

Vier Augen gegen Strich-8

Früher einmal waren die Unterschiede zwischen den Klassen größer. Allein schon in der äußeren Erscheinung. Denken wir an den Vier-Augen-Benz. Eine Designrevolution, die so stark polarisierte, dass Benz-Fans heute noch darüber streiten, ob der Schritt richtig war. Ähnlich polarisierte der Strich-8 vor wenigen Jahren noch den Gebrauchtmarkt.

Ein halbwegs gebrauchter Strich-8 war vor 20 Jahren noch für einen feuchten Händdruck zu haben.
Foto: Daimler

Um den Inhalt eines abgemagerten Sparschweines bekam man von zehn Jahren noch einen Strich-8, den W 114, wie er intern hieß. Niemand wollte so einen. Oft nicht einmal geschenkt. Heute ist er ein begehrtes Sammlerstück. Sogar sein Nachfolger, der W 123, hat den Tiefpunkt seines Schicksals bereits durchlaufen und steigt beinah täglich im Preis. Der W 124 wird ihm bald folgen.

Der W 123 hat die Talsohle auch schon durchschritten und wird langsam wieder gutes Geld wert.
Foto: Daimler

Inzwischen zum wahren Gustostückerl in der Ahnenreihe der E-Klasse gereift ist die "kleine Heckflosse", interne Kennung: W 110. Mercedes-Benz, bis dahin dafür bekannt, beim Fahrzeugdesign recht konservativ zu sein, ergab sich in den 1960er-Jahren der amerikanischen Mode, nannte die Flossen aber Peilstäbe und machte sie zum Sicherheitsextra.

Die "kleine Heckflosse", der W 110 lief bei Mercedes-Benz von 1961 bis 1968 vom Band.
Foto: Daimler

In Stuttgart erkannte man nämlich damals schon, wie wichtig der Schutz der Insassen ist, und baute ein herausragend sicheres Auto mit Knautschzonen und einer Fahrgastzelle, die extrem steif war. Diese Steifigkeit merkt man dann heute nicht zuletzt, wenn man mit der Herzhaftigkeit Karl Pfeifers in Sindelfingen in die Steilkurve einbiegt. (Guido Gluschitsch, 23.04.2016)