Recep Tayyip Erdoğan mit Ehefrau auf einer Westafrika-Reise im März. Am Mittwoch steht Kroatien am Reiseplan.

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Die neue Moschee von Rijeka.

Foto: Reuters/Bronic

"Sultan, wir lieben dich, du bist unsere Sonne", scherzt der Radiomoderator Dienstagfrüh in Zagreb. Vor dem Besuch des türkischen Präsidenten in der kroatischen Hauptstadt geht es vor vielen darum, Distanz zu signalisieren. Gleich nach den Lobhudeleien auf den neuen "Sulejman", wie Recep Tayyip Erdoğan hier genannt wird – eine Anspielung auf Sulejman den Prächtigen, der 1529 bei der Eroberung eine Brücke nach Osijek im heutigen Kroatien bauen ließ – folgt ein Lied des nationalistischen kroatischen Sängers Tompson.

Erdoğan will mit seinem Besuch in Kroatien – er wird bis Mittwoch bleiben – die neue Position der Türkei in der EU, die durch die Flüchtlingspolitik gestärkt wurde, demonstrieren, so heißt es jedenfalls in Zagreb. Beide Staaten, die Türkei wie Kroatien, liegen auf der Fluchtroute, die bis zum März offen war. Es wird erwartet, dass Erdoğan bei Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović auch um Unterstützung für den EU-Beitritt der Türkei werben möchte.

Islam und Kroatien

Erdoğan wird auch die Feier zum hundertjährigen Bestehen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Kroatien besuchen – obwohl dieses gar nichts mit dem Osmanischen Reich zu tun hat, sondern viel mehr mit Österreich-Ungarn. Kroatien gehörte ja bis 1918 zur ungarischen Reichshälfte, und die Anerkennung des Islam – durch die Okkupation von Bosnien-Herzegowina – wurde während des Ersten Weltkriegs eben auch in Kroatien vollzogen. Nachdem Slawonien ab dem 17. Jahrhundert nicht mehr Teil des Osmanischen Reichs war, kamen die Muslime ab dem 18. Jahrhundert vorwiegend aus Bosnien-Herzegowina nach Kroatien. 1916 anerkannte dann das kroatische Parlament den Islam als gleichberechtigte Religionsgruppe. Bis heute wird in Kroatien – oft auch zu Unrecht – die Osmanische Zeit als Inbegriff der Rückschrittlichkeit aufgefasst.

Etwa 1,5 Prozent der kroatischen Staatsbürger – etwa 63.000 Personen – sind Muslime, die meisten sind Bosniaken aus Bosnien oder anderen Teilen Exjugoslawiens, es gibt aber auch Albaner, Roma oder Mazedonier, die sich hier zum Islam bekennen. Auch der umstrittene rechtsradikale Kulturminister Zlatko Hasanbegović ist Muslim, allerdings bezeichnet er sich als Kroate und nicht als Bosniake. Heute gibt es in Kroatien 17 Moscheen – eine wunderschöne neue wurde erst vor ein paar Jahren in Rijeka, einer traditionell multikulturellen Stadt, gebaut. Erdoğan besucht immer wieder Südosteuropa und sieht sich dort auch als Vertreter eines mehrheitlich von Muslimen bewohnten Staates, der so etwas wie die Schutzherrschaft für die Balkanmuslime sein soll. Insbesondere in Bosnien-Herezgowina ist seine AKP politisch auch sehr einflussreich.

Massive Sicherheitsvorkehrungen

Angeblich soll Erdoğan mit sechs Ministern und 90 Geschäftsleuten anreisen, die am Wirtschaftsforum teilnehmen sollen. Weite Teile von Zagreb werden wegen des Besuchs abgesperrt. Auf dem Weg zu Flughafen sind überall türkische Flaggen zu sehen. Angeblich sollen die Sicherheitsvorkehrungen massiv sein. "Das ist ja ärger, als wenn der Papst kommt", sagt der Taxler angesichts des massiven Polizeiaufgebots. Er glaubt, dass man Vorkehrungen trifft, weil ja noch Flüchtlinge im Land seien. "Und das könnten ja Kurden sein, die hier eine Bombe hochgehen lassen, wenn der Sulejman kommt", so der Taxler.

Laut der kroatischen Nationalbank hat die Türkei seit 1993 212 Millionen Euro in Kroatien investiert. Bisher machen die wechselseitigen Exporte aber nur jeweils etwa ein Prozent des gesamten Exportvolumens aus. Die kroatischen Medien berichten über 115 potenzielle neue türkische Investoren in dem kleinen mitteleuropäischen Staat, der seit 2008 in einer schweren Wirtschaftskrise steckt. Es gibt bereits etwa 50 türkische Investitionen hier, etwa die Doğuş-Gruppe, die in Tourismus investierte.

Manche Beobachter in Zagreb meinen sogar, dass Erdoğan Kroatien zeigen wolle, dass es wirtschaftlich betrachtet auch noch andere Perspektiven gäbe als bloß Investitionen aus der EU.

Insbesondere unter der Regierung mit dem neuen Premier Tihomir Oresković, einem kanadischen Pharmamanager, erhoffen sich jedenfalls nicht nur türkische Unternehmen, bei den geplanten Privatisierungen mitschneiden zu können. Ebenso wie auch unter den österreichischen Unternehmern gibt es auch unter ihren türkischen Kollegen Kritik an den bürokratischen Hürden im jüngsten EU-Staat. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 27.4.2106)