"Leichte Sprache" hilft Menschen mit Lernschwierigkeiten, Texte besser zu verstehen. Dafür gibt es sogar ein Prüfsiegel.

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DER STANDARD hat es kürzlich online versucht: die zentrale Botschaft der Kandidaten und Kandidatinnen zur Bundespräsidentenwahl in einer Sprache zu vermitteln, die alle verstehen. Auch jene 50.000 bis 80.000 Menschen mit ausgeprägter Leseschwäche, die es hierzulande gibt.

Seit seinem Inkrafttreten 2006 schreibt das Behindertengleichstellungsgesetz vor, dass auch alle Informationen barrierefrei sein müssen – nicht nur Bauwerke. Das heißt, dass sie auch Menschen mit Lernschwierigkeiten lesen und verstehen können, ohne fremde Hilfe. Betroffen sind alle Informationen, die sich an die Öffentlichkeit richten, unabhängig davon, wer sie aussendet: private Firmen, Institutionen oder die öffentliche Hand.

Barrierefreie Sprache

Der Hebel zu verständlichen Informationen heißt "Leichte Sprache". Sie fußt auf einem speziellen Regelwerk, das in den vergangenen Jahren für Menschen mit Behinderung entwickelt wurde. Es gilt im Wesentlichen, Wortungetüme zu vermeiden, Satzgefüge, Zahlenfriedhöfe und Fremdwörter. Zur Kunst der "Leichten Sprache" gehört auch die entsprechende grafische Aufbereitung: größere Buchstaben, mehr "Luft" zwischen den Zeilen, klare Bildsprache et cetera. Eine Kontrollgruppe überprüft, ob die in "Leichter Sprache" gehaltenen Texte und Broschüren für die Zielgruppe tatsächlich verständlich sind.

Was sehr gerne vergessen wird: Selbstverständlich müssen auch alle Websites barrierefrei sein – technisch wie inhaltlich. Nicht nur die Sehschwäche muss ausgeglichen werden, sondern eben auch die Leseschwäche.

Kaum umgesetzt

Das Gesetz gibt es nun schon seit mehr als zehn Jahren. Mit der Umsetzung in der Praxis schaut es aber traurig aus. "Nur im Promillebereich" seien Informationen barrierefrei, schätzte Behindertenanwalt Erwin Buchinger kürzlich bei einer Podiumsdiskussion, die vom Finanzarketingverband Österreich (FMVÖ) gemeinsam mit dem Domus Verlag organisiert worden war. Und Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske zeigte sich im Klub der Wirtschaftspublizisten davon überzeugt, dass viele Konsumentenbeschwerden bei Banken und Versicherungen vermeidbar wären, hätten diese ihre Geschäftsbedingungen zuvor in einer klar verständlichen Sprache kommuniziert.

Einfach, banal, geradezu naiv

Zurück zur Wahl aller Wahlen: Wie schauen die zentralen Botschaften der Bundespräsidentenkandidaten in "Leichter Sprache" aus? Hier eine Kostprobe, wie die Expertinnen Maria Seisenbacher und Elisabeth Laister die Antworten der Kandidaten auf die Frage "Was ist mir wichtig" übersetzt haben.

Alexander Van der Bellen: "Österreich liegt mir am Herzen. Österreich ist meine Heimat. Unsere Heimat."

Norbert Hofer: "Tradition von Österreich. Kultur von Österreich. Heimat. Österreicher haben ein Recht auf Heimat."

Auf den Punkt gebracht, hören sich diese Antworten an, wie Kernaussagen fast immer klingen: einfach, banal, geradezu naiv. Trotzdem werden Unterschiede zwischen den Kandidaten sichtbar. Und darauf kommt es bei Wahlen ja an. (Dass jeder unter derart vielschichtigen Begriffen wie "Tradition" und "Heimat" etwas anderes versteht, ist ein Problem, das auch "Leichte Sprache" nicht lösen kann.)

Klar kommunizieren ist sinnvoll

Gesetz hin oder her, unsere Erfahrungen als Spezialisten für "Leichte Sprache" zeigen: Es ist aus Sicht von Unternehmen, Interessenverbänden und öffentlichen Institutionen in vielen Bereichen sinnvoll, klar zu kommunizieren. Man vermeidet lästige Rückfragen oder gar das Nichteinhalten von Spielregeln. Wie soll sich jemand an die Hausordnung oder eine Gebrauchsanweisung halten, wenn man sie gar nicht versteht? Wie soll jemand Versicherungsprodukte kaufen oder Serviceangebote der Sozialversicherung in Anspruch nehmen können, wenn man den Folder dreimal lesen muss, um den Inhalt zu erahnen? Es muss ja nicht immer die "Leichte Sprache" in Reinkultur sein – mit der "Leicht verständlichen Sprache" steht ein Kompromiss zwischen "Technokratensprech" und "Leichter Sprache" zur Verfügung.

So erweist sich, dass das, was eigentlich für eine kleine Gruppe mit Behinderung geschaffen wurde, letztlich allen zugutekommen kann. Die Leichtigkeit der Sprache ist zwar oft ein schweres Stück Arbeit, macht aber unser aller Leben viel bequemer. (Herbert Zach, 27.4.2016)