Ann Bernes, Koordinatorin von Schwedens feministischer Außenpolitik (Mitte), im Wiener Kreisky-Forum mit Sandra Breiteneder von der Gewerkschaft der Privatangestellten (rechts) und Moderatorin Eva Linsinger.

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Das schwedische Regierungsteam, das zur Hälfte aus Frauen besteht, zu Amtsantritt im Oktober 2014. Premier Stefan Löfven (Mitte) sprach von der "ersten feministischen Regierung".

Foto: AP Photo/Claudio Bresciani

Wien – Das Staunen war international groß, als der neue schwedische Premier Stefan Löfven im Oktober 2014 bekanntgab, dass das Land nun seine "erste feministische Regierung" habe. Alle Ministerien der rot-grünen Koalition würden sich in der kommenden Regierungsperiode für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. Wie das in der Praxis aussieht, erklärte Helen Eduards, schwedische Botschafterin in Österreich, am Dienstag bei einer Diskussion im Kreisky-Forum im Wien. So werde etwa kein Vorschlag für das Budget des nächsten Jahres berücksichtigt, "wenn er nicht eine sorgfältige Analyse darüber beinhaltet, was er zur Gleichberechtigung der Geschlechter beiträgt".

Auch in die internationalen Beziehungen soll die Gleichberechtigung integriert werden. Schwedens feministische Außenpolitik hat sechs Bereiche formuliert, auf die sie sich 2016 konzentrieren will: Stärkung der Menschenrechte für Frauen und Mädchen, Kampf gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt, Teilnahme von Frauen an Konfliktlösung und Friedensprozessen, Partizipation von Frauen an wirtschaftlicher, sozialer und ökonomischer Entwicklung sowie Stärkung sexueller und reproduktiver Rechte.

Frauen als Mediatorinnen

Ein Fokus werde dabei auf Frauen als Vermittlerinnen gelegt, sagt Ann Bernes, die Schwedens feministische Außenpolitik koordiniert. Bereits bei den Kolumbien-Gesprächen in Havanna erfolgreich gewesen, bemühe man sich nun auch bei den Syrien-Verhandlungen, Frauenorganisationen einzubinden.

Innerhalb der EU stoße die Idee einer feministischen Außenpolitik auf Interesse, sagt Bernes. Die Zusammenarbeit finde in den meisten Fällen aber auf Basis einzelner Themen statt und weniger in einer Übernahme des gesamten Konzepts. Finnland sei beispielsweise ein verlässlicher Partner in puncto SRHR (sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte), Großbritannien im Zusammenhang mit dem Kampf gegen sexuelle Gewalt in Konfliktgebieten.

Wichtig sei aber, das Konzept nicht als fixes Paket zu betrachten, sagt Bernes, nicht als Vorgabe, die man immer anwenden müsse. Es handle sich eher um "eine Perspektive, eine mögliche Form des Analysierens", um die Ziele "Rechte, Repräsentation, Ressourcen" für Frauen und Mädchen zu erreichen.

Herausforderungen bleiben

Der Grundtenor der Diskutantinnen bleibt über den Abend gleich: Es sei in der Vergangenheit zwar viel der Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht worden, strukturelle Differenzen und Ungerechtigkeiten würden aber bestehen bleiben. Vor allem in Österreich, wie Sandra Breiteneder von der Gewerkschaft der Privatangestellten betont. Mit nüchternen Zahlen holt sie die Anwesenden zurück auf den Boden der österreichischen Realität: Beim Gender Pay Gap rangiert Österreich EU-weit auf Platz 27 von 28, nur drei Ministerinnen befinden sich in der Regierung, und der Frauenanteil im Parlament liegt bei rund 30 Prozent.

Auf die Frustration, die durch den immer wiederkehrenden Vorwurf "Es gibt Wichtigeres als Gleichberechtigung" eintritt, reagiert Bernes dennoch gelassen. "Das ist ein Klassiker, nicht wahr?" Zweierlei könne man in diesem Fall entgegnen: zunächst den Menschenrechtsaspekt, denn es sei ein "Menschenrecht, an Entscheidungsprozessen beteiligt zu sein". Und auch mit Ökonomie und Effizienz könne man argumentieren. Denn wenn man die Hälfte den Humankapitals ausschließe, könne man nicht erwarten, "an der Spitze zu konkurrieren".

Dieser Diskurs über die Vernachlässigbarkeit feministischer Ziele finde "überall auf der Welt", besonders aber in Österreich statt, fügt Breiteneder hinzu. Speziell hier greife außerdem der für Breiteneder "sehr beängstigende" Trend um sich, dass junge Frauen den Feminismus ablehnen. Sie hätten das Gefühl, es handle sich um einen veralteten Begriff aus den 70er- oder 80er-Jahren, sie selbst seien stärker und würden Feminismus nicht brauchen. Das zeige aber, dass sie "nicht verstehen, wie die Welt funktioniert". Wesentlich sei hier, Räume zu schaffen, in denen sich Frauen organisieren können – und der jüngeren Generation vermitteln, dass "der Kampf noch nicht vorbei ist". (Noura Maan, 27.4.2016)