Rechter Aktionismus: Identitäre mit Transparent auf dem Dach der Parteizentrale der steirischen Grünen Anfang April in Graz.

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Die rechtsextremen Identitären stürmen das Theaterstück "Die Schutzbefohlenen" im Audimax der Universität Wien und sorgen für einen medialen Aufruhr. Viele Leute sind (zu Recht) sehr empört – die Einschätzungen reichen von "SA" bis "ignorieren wir die paar Dummköpfe einfach". Ähnlich die Situation, als die Identitären zwei Wochen später auf dem Dach des Wiener Burgtheaters ein Transparent enthüllen und Flugblätter abwerfen. Doch was wollen die Identitären eigentlich, und mit welcher Strategie versuchen sie das zu erreichen?

Die Neue Rechte

Halten wir das Offensichtliche fest: Die Identitären sind eine klar rechtsextreme Organisation. Ihr Weltbild beruht auf der Annahme der Ungleichheit und der damit verbundenen Ungleichwertigkeit von Menschen(gruppen). Rassismus, Antifeminismus, Homophobie und ein inhärenter Hass auf arme Menschen sind da nur einige Spielarten. Am prägnantesten sind der antimuslimische Rassismus und das damit verbundene Hetzen gegen Flüchtlinge. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Vielmehr sind in diesem Bereich (genauso wie beim Antifeminismus) alle Dämme gebrochen, und es gibt einigende Narrative, die von klaren Neonaziorganisationen bis tief in ein bürgerliches Spektrum hinein geteilt und verbreitet werden. Hier zeigt sich, dass politische Spektren nicht klar zu umreißen sind, sondern vielmehr der Gedanke, dass sich rassistische und antidemokratische Anschauungen am "Rand der Gesellschaft" abspielen, schlicht falsch ist.

Die Identitären gehören in ein Spektrum, das genau an der Überlappung von rechtsextrem und bürgerlich angesiedelt ist. Die "Neue Rechte" gehört zur (sozialen, monetären, akademischen) Elite und entspricht in diesem Habitus gar nicht dem unhaltbaren Klischee der "dummen Rechtsextremen". Vielmehr ist diese Position gleichzeitig Selbstverständnis. Ihr Rechtsextremismus ist elitär begründet und geht von oben gegen unten. Dabei geht es nicht vordergründig um Wahlerfolge (wenngleich die AfD eng mit dieser Szene verknüpft ist), sondern um das Denken und Sprechen.

Bei den Linken klauen

Damit existiert ein Strategiewandel in der Kommunikation (siehe Kommunikationsstrategien der "Neuen Rechten"), aber auch im Aktionismus. So könnte der "SA"-Vergleich falscher nicht sein. Denn statt Prügelorgien lehnen sich die Identitären an linken Aktionsformen an: mit einem Transparent eine Veranstaltung stören oder mit kreativem Straßentheater in den belebten Einkaufsstraßen. Das heißt nicht, dass das harmlos wäre. Im Gegenteil: Diese Form des Aktionismus ist für viele (auch unpolitische) junge Menschen anziehender, als mit Springerstiefel und Baseballschläger Antifaschisten zu verprügeln. Dass diese dezidiert gewalttätigen Übergriffe dennoch stattfinden, zeigt ein Angriff auf Antifaschisten im Jänner.

Die neue Strategie zeigt sich auch im Umgang mit Medien. Statt Vermummung und schneller Flucht halten die Identitären bereitwillig ihre Gesichter in jede Kamera, geben gerne mit Klarnamen Interviews. Und viele Medien nehmen sie ihnen ab. Diesen Raum zur Selbstinszenierung haben sie sich durch Aktionen wie jene im Audimax und auf dem Burgtheater erkämpft, und viele Medien fallen genau darauf herein, indem sie sie bereitwillig belohnen. Interviews zur besten Sendezeit, renommierte (Wochen-)Zeitungen zu Gast beim Stammtisch, und die Journalisten machen einen Fehler: Sie glauben, die Realität im Gespräch mit ihnen abbilden zu können. Dabei bekommen sie nur eine Show serviert, die von den Identitären kontrolliert wird. Die Identitären für ihre menschenverachtenden Einstellungen und Aussagen nicht zu belohnen heißt auch, nur über sie und nie mit ihnen zu reden. (Natascha Strobl, 28.4.2016)