Damaskus – Bei einem Militärkontrollpunkt in der Altstadt von Damaskus sitzen junge Syrer auf einer Gartenmauer und rauchen, trinken Bier oder Softdrinks und sprechen über alles – außer über den Krieg.

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Foto: REUTERS/Omar Sanadiki

Es ist ein Abend unter der Woche, aber die Einwohner von Damaskus eilen eifrig zu den neuen Bars, die erst in den vergangenen Monaten eröffnet hatten – manche, um Leute zu treffen, andere, um dort zu arbeiten. Die Wiederbelebung dieses einst so pulsierenden Viertels ist Teil des Versuchs, eine Atmosphäre der Normalität in der Hauptstadt Syriens zu schaffen. Unterdessen tobt der seit fünf Jahren herrschende Krieg, der bisher über 250.000 Menschen getötet und fünf Millionen Flüchtlinge gefordert hat, in der Nähe der Stadt weiter.

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Bomben haben letztes Jahr die Altstadt von Damaskus zerstört. Nun rauchen die Menschen hier Wasserpfeifen vor dem "Pub Sharqi" oder schauen Fußball im "80's", einer Bar nebenan. "So etwas hätte man vor zwei Jahre hier nicht gesehen", sagt Nicolas Rahal, ein 23-jähriger Grafikdesigner. Nachdem immer mehr Bars eröffnet hatten und somit mehr Leute angestellt wurden, fingen viele an, wieder auszugehen. "Ich kann nun in dieses Pub oder jenen Club gehen. Lokale machen auf und die Leute kommen", stellt Rahal fest.

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Der Krieg ist in der Hauptstadt immer noch spürbar: Sturmgewehre, Straßensperren und der Klang von Feuergefechten in der Ferne. Die jungen Bewohner sind besorgt um ihre Zukunft. Sie haben geliebte Menschen durch Gewalt und Vertreibung verloren. Die steil ansteigende Inflation macht das Leben furchtbar teuer. Einige junge Männer sind außerdem besorgt, zum Militär einberufen zu werden. Die verbesserte Sicherheit durch die russische Intervention und ein teilweiser Waffenstillstand im Februar brachte ein wenig Ruhe. Die Menschen in Damaskus wollen ihr Leben nun genießen wo es geht.

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"Normales Leben"

"Die Leute haben den Krieg satt und wollen einfach nur ein normales Leben führen. Deshalb gehen sie aus und treffen Leute", sagt die 21-jährige Barkeeperin Dana Daqqaq. "In den letzten Monaten läuft es nicht nur am Wochenende, sondern jeden Tag gut. Die Lokale sind rammelvoll." Laut der Kunststudentin ist das "Barleben" mehr als nur das Vergessen des Krieges. Alle Nachtschwärmer hier hätten allerdings eine persönliche traumatische Vergangenheit.

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"Verwandte von mir, die in der Armee dienten, wurden bei der Belagerung von Homs getötet", berichtet die Barbesucherin Dana Ibrahim. Sie habe darüber nachgedacht, das Land zu verlassen – so viele Freunde von ihr sind nach Europa oder in die Nachbarländer geflohen. "Aber sobald ich wieder Leben gesehen habe, bin ich hiergeblieben. Ich will kein Flüchtling sein."

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Auch Rahal will bleiben. Er habe des Öfteren mitansehen müssen, wie Menschen neben seinem Haus von Granaten getötet wurden. Er selbst wurde bei den Protesten 2011, die später zu einem Bürgerkrieg wurden, verhaftet. Seine politische Sicht habe ihn auch Freundschaften gekostet. Diskussionen auf Facebook seien zu Prügeleien auf den Straßen geworden. Nur eine mögliche Einberufung zur Armee könnte ihn dazu bewegen auszuwandern. "Ich würde versuchen, in Beirut einen Job zu finden", erzählt er.

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Alles wird ständig teurer. Daqqaq berichtet, dass vor einigen Wochen eine Packung Zigaretten noch 250 syrische Pfund gekostet habe, nun würde sie 450 Pfund (1,8 Euro) kosten. Sie, ihre Freunde und Gäste wollen sich diese Nacht aber keine Sorgen über den Krieg, die Wirtschaft oder Emigration machen, sondern einfach bei Musik und Getränken das Leben genießen. (John Davison/Reuters, 28.4.2016)